Israelisch-Palästinensische Initiative „Combatants for Peace“

„Ohne Hoffnung gibt es kein Leben“

Ein aixpaix-Gespräch mit Hai Ashkenazi und Jamil Qassass, 02.12.2014

Demonstration der „Combatants for Peace“ am 15.11.2014 am Sperrzaun in Jerusalem. Foto: Hai Askenazi

Im September 2014 besuchte der israelische Friedensaktivist Hai Askenazi die Redaktion des Aachener Friedensmagazins aixpaix.de. Jetzt antworteten Hai Askenazi und sein palästinensischer Mitstreiter Jamil Qassass auf aktuelle Fragen von aixpaix-Herausgeber Otmar Steinbicker.

aixpaix.de: Ihr seid eine der wenigen gemeinsamen israelisch-palästinensischen Initiativen, und Ihr seid frühere israelische Soldatinnen und Soldaten sowie palästinensische Kämpfer, die jetzt zusammen für Frieden kämpfen. Wie habt Ihr zusammen gefunden?

Hai Ashkenazi: Combatants for Peace (CFP) wurde von ehemaligen Kämpfern beider Seiten während der zweiten Intifada gegründet. Von da an haben sich Leute, die die Nase voll von Gewalt haben, uns angeschlossen. Heute schließt die Bewegung alle Menschen ein, die Frieden wollen, auch Nicht-Soldaten.

aixpaix.de: Israelis in Israel und Palästinenser in der Westbank machen jeden Tag sehr unterschiedliche Erfahrungen, insbesondere in Bezug auf die Besatzung. Was motiviert einen früheren israelischen Offizier, der seinen Militärdienst in den besetzten Gebieten geleistet hat, sich den „Combatants for Peace“ anzuschließen?

Hai Askenazi. Foto: Privat

Hai Ashkenazi: Viele Jahre dachte ich, dass man nicht mit der anderen Seite sprechen kann, dass Israel Recht hat und dass die Palästinenser übel sind und Unrecht haben. Dann begann ich, über den Konflikt zu lesen und fand heraus, dass beide Seiten schreckliche Dinge getan haben, und dass jede Seite ihre eigenen verständlichen Motive und Entschuldigungen hat. Seitdem fing ich an zu glauben, dass es Frieden in diesem Teil der Welt geben sollte und dass dieser Frieden möglich sei.

aixpaix.de: Und was motiviert einen Palästinenser, der gegen die Besatzung gekämpft hat, sich einer gemeinsamen Initiative mit früheren Soldaten der Besatzungsarmee anzuschließen?

Jamil Qassass Ich glaube, dass Gewalt nicht der Weg ist und dass sie keinen Frieden bringen wird. Als ehemaliger Kämpfer kenne ich den Preis des Krieges, und ich glaube, dass das palästinensische Volk seine Freiheit nur auf gewaltfreiem Wege erlangen kann.

aixpaix.de: Was sind die Ziele der Combatants for Peace?

Jamil Qassass: Hier ist, was auf unserer Website steht:

• In der Öffentlichkeit auf beiden Seite das Bewusstsein über die Hoffnungen und das Leiden der jeweils anderen Seite zu wecken und Dialogpartner zu schaffen,

• Die israelische und der palästinensische Gesellschaft in Versöhnung und gewaltfreien Kampf zu bilden,

• Politischen Druck auf beide Regierungen auszuüben, den Kreislauf der Ge- walt zu stoppen, die Besatzung zu beenden und einen konstruktiven Dialog wiederaufzunehmen.

aixpaix.de: Wie arbeitet Ihr zusammen? Wie versucht Ihr, an Eure MitbürgerInnen auf beiden Seiten zu appellieren?

Jamil Qassass. Foto: Hai Askenazi

Jamil Qassass Wir sind in mehreren Gruppen organisiert. In jeder Gruppe sind israelische und palästinensische Mitglieder. Wir treffen uns mindestens zweimal monatlich, um unsere Aktivitäten zu besprechen. Die Aktivitäten schließen Demonstrationen, Vorträge und Treffen in Häusern mit Men- schen beider Seiten ein. Normalerweise sprechen bei jeder solchen Begegnung in einem Haus ein Palästinenser und ein Israeli und erzählen ihre Geschichte – wie sie aufgehört haben, zu kämpfen, und sich CFP anschlossen. Anschließend sprechen wir über die Combatants for Peace und wie wir die Situation sehen.

Demonstrationen können sowohl Demos in Israel, in den palästinensischen Gebieten oder (wie unsere letzte) nahe der Sicherheits-/Trennungsmauer sein.

aixpaix.de: Vor einigen Monaten habt Ihr gemeinsame Treffen gegen den Gaza-Krieg durchgeführt. Was waren eure Erfahrungen?

Hai Ashkenazi: Während des Krieges stand unsere Gesellschaft ziemlich geschlossen hinter unserem Premierminister und hinter der Armee. Es gab viele extreme Stimmen gegen jeden, der den Krieg kritisierte. Heute höre ich andere Stimmen und denke, dass einige Leute verstehen, dass wir durch diesen schrecklichen Krieg nichts gewonnen haben. In den Monaten seither haben sich viele Leute den CFP angeschlossen.

Jamil Qassass Ich habe mich schrecklich gefühlt. Einige der Leute, die ich kenne, sagten, dass dies das Ergebnis von Frieden sei. Heute haben sich die Leute beruhigt und sind bereit, anderen Stimmen zuzuhören.

aixpaix.de: Mit der Eskalation um den Haram a-Sharif /Tempelberg wächst die Gefahr einer blutigen dritten Intifada. Es gibt Extremis- ten und Ermordete und Verletzte auf beiden Seiten. Seht Ihr eine wirkliche Perspektive, solch ein großes Blutvergießen noch zu vermeiden?

Hai Ashkenazi: Ich hoffe wirklich, dass sich dies nicht zu einer gewaltsamen Intifada entwickelt. Ich glaube wie meine Organisation, dass der beste Weg, die Besatzung und die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die Gewaltfreiheit ist. Ich denke, dass, wenn die PalästinenserInnen auf gewaltfreiem Wege Widerstand leisten würden, wie z.B. sehr große Demonstrationen und Paraden, Israel keine Antwort darauf haben würde und sich bald von den besetzten Gebieten zurückziehen müsste.

aixpaix.de: Seht Ihr eine wirkliche Perspektive, Frieden zu schaffen?

Hai Ashkenazi: Ich glaube, dass Frieden möglich ist. Ich denke, dass, obwohl ich es nicht für die nahe Zukunft sehen kann, sich die Lage sehr schnell verändern kann. Selbst die Berliner Mauer fiel in einer sehr kurzen Zeit...

Jamil Qassass Ich glaube an Frieden und dass er möglich ist. Es muss Hoffnung geben, denn ohne Hoffnung gibt es kein Leben.

Übersetzung aus dem Englischen: Christine Schweitzer


World Wide Web aixpaix.de

Der Nahost-Konflikt

Im Rahmen seine Reihe "Monitoring-Projekt Zivile Konfliktbearbeitung - Gewalt- und Kriegsprävention legte Prof. Dr. Andreas Buro 2007 sein Dossier vor. Lesen Sie hier die aktualisierte Fassung von 2010.

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