Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn,
da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht,
im Wind der sanft über das Gräberfeld streicht.
Auf deinem Kreuz finde ich toter Soldat,
deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat die Zahl 1900 und 16 gemalt und du warst nicht einmal 19 Jahre alt.
Ja auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben, deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.
Andreas Buro
Krieg gerecht gelogen
Die kriegsfördernde Legitimationsideologie vom ‚gerechten Krieg’
Wer gegen den Wunsch der meisten Menschen nach Frieden, Krieg führen wollte, brauchte dafür eine öffentlich wirksame Legitimation. Das war für weltliche nicht anders als für religiöse Machthaber. Oftmals verband sich weltliches Machtstreben mit religiöser Begründung. So im Christentum wie im Islam. Doch auch im religionsfernen Marxismus wurde zum letzten Gefecht aufgerufen, um so den Völkerfrieden zu erreichen.
Für die europäische Geschichte ist die Legitimationsideologie des ‚gerechten Krieges’ von besonderer Bedeutung. Die frühen Christen – eine kleine Minderheit im Mittelmeerraum – enthielten sich des Kriegsdienstes in der Folge des Gebots Jesu seinen Nächsten zu lieben, nicht zu töten und der Vision vom kommenden Friedensreich. Die Bergpredigt mag ihnen Richtschnur gewesen sein. Sie durften allerdings auch in den meisten Heeren dieser Zeit nicht dienen, weil sie die noch herrschenden Götter des Olymps und ihre Entourage ablehnten.
Das änderte sich mit der berühmten Konstantinischen Wende, als nämlich der Kaiser von Byzanz (Ost-Rom) sich drauf und dran machte, West-Rom unter seine Kontrolle zu bringen, und zwar unter christlichen Vorzeichen und selbstverständlich mit militärischer Gewalt. Der Legende nach soll Jesus in einer Vision des Kaisers gesagt haben: In diesem Zeichen (gemeint war das Kreuz A. B.) wirst Du siegen. Das passte nicht so recht zu dem christlichen Pazifismus.
Militärische Gewaltanwendung musste christlich annehmbar gemacht werden. Man konnte dabei auf griechische und römische Diskussionen über Krieg zurückgreifen, doch löste dies nicht das christliche Dilemma. Der fromme Bischoff von Hippo, Augustinus (354-430), wusste Aushilfe. Er erfand mit der ‚Gottes-Bürgerschaft’ und der ‚Erden-Bürgerschaft’ den von Gott gebilligten oder sogar gewollten Heiligen Krieg, der von der katholischen Kirche als Stellvertreterin Gottes auf Erden verkündet werden konnte. Augustinus: Glaube nicht, dass jemand, der mit Waffen Kriegsdienst verrichten will, Gott nicht gefallen könnte. Die Teilnahme an ihm wurde zu Zeiten der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert sogar mit dem Erlass aller Sünden belohnt. Hier gab es für Christen nun also nichts mehr zu zweifeln.
Augustinus1 erfand ferner, sich der Unfriedfertigkeit christlicher Potentaten bewusst, die Grundelemente des ‚gerechten Krieges’, der in den folgenden Jahrhunderten, besonders von Thomas von Aquin (1225-1274), stetig weiter entwickelt wurde. Dieser durfte nur von der legitimen Herrschaft (auctoritas Principis) ausgerufen werden, also nicht etwa von revoltierenden Bauern. Nur die Obrigkeiten, die generell die Kriegslüsternsten waren, sollten für die Eröffnung von Kriegen zuständig sein. Er sollte in gerechter Gesinnung erfolgen (intentio recta). Das bedeutete vor allem zur Wiederherstellung des Friedens. Freilich sollte der gerechte Krieg auch ein gerechtes Ziel haben (causa justa): Wiedergutmachung von Unrecht, Vergeltung, Bestrafung auch die Vernichtung von Häretikern fallen in diese Kategorie. Die heutigen Kriegsbegründungen könnten dort abgeschrieben sein.
Augustinus interessierte besonders das gerechte Verhalten im Krieg. Das Menschen getötet würden, sei nicht das Problem. Sie würden ohnehin einmal sterben. Einwände gegen Krieg seien eine ungerechte Gesinnung der Soldaten, wie etwa Lust zu schaden, grausame Rachgier, Unversöhnlichkeit, Vergeltungswut und Eroberungssucht. Mit Berufung auf Römer 13,1, dass jede Gewalt von oben gegeben sei, formulierte er:
Wenn es also einem Gerechten zustößt, unter einem unwürdigen König Kriegsdienst zu leisten, so kann er ohne Verstoß gegen die Gerechtigkeit seinen Befehl ausführen, wenn es feststeht, dass dieser Befehl nicht dem Gesetz Gottes zuwiderläuft, oder wenn es wenigstens nicht feststeht, dass er ihm zuwiderlauft; es kann also geschehen, dass der König sich durch seinen ungerechten Befehl schuldig macht, während der den Befehl ausführende Soldat schuldlos bleibt.2
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Seit dieser Zeit ist die Diskussion um den gerechten Krieg immer wieder geführt worden. Die Bedingungen, was denn gerecht sei, wurden nach Bedürfnis weiter verkürzt, so dass aus dem gerechten Krieg ein Recht zum Krieg von oben wurde. Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, soll 1996 bei einem Soldatengottesdienst gesagt haben: In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher. Klare Worte gegen alle Geschichtserkenntnisse! Das urchristliche Anliegen der Nächstenliebe und der Friedensstiftung ist über die Ideologie vom gerechten Krieg umgelogen worden zu einer Rechtfertigung von Kriegen, deren Ausmaße sich bis heute ständig und weltbedrohlich gesteigert haben.
Die Annahme eines wie auch immer benannten gerechten Krieges negiert seine Voraussetzung. Führen kann ihn nur derjenige, der so hoch gerüstet ist, dass er eine Chance hat zu siegen. Kann man sich denn vorstellen, Dänemark führte einen gerechten Krieg gegen China oder die USA? Die Legitimationsideologie vom gerechten Krieg treibt also geradezu zum Wettrüsten und begünstigt die militärisch Starken.
Inzwischen ist es ökumenischer Konsens, dass die Lehre des gerechten Krieges überholt sei.3 Trotzdem lebt sie in neuen Gewändern als humanitäre Intervention, als Verantwortung, (andere) schützen zu müssen (responsibility to protect) oder als so genanntes letztes Mittel, sich selbst verteidigen zu können, fort. Schließlich müssen auch alle aktuellen Kriege, wie auch immer terroristisch geführt (Drohnen und Selbstmordattentate), weiterhin ideologisch-verlogen legitimiert werden, um gesellschaftliche Unterstützung zu finden.
1 s. hierzu Engelhardt, Paulus: Die Lehre vom gerechten Krieg in der vorreformatorischen und katholischen Tradition. Herkunft – Wandlungen –Krise. In : Steinweg, Reiner (Hg.): Der gerechte Krieg: Christentum, Islam, Marxismus, edition suhkamp es 1027, neue Folge 17, Frankfurt/M 1980, 72-124
2 s. Fußnote 1. Das für Gewissensentscheidungen leitende (indirekte) Moralprinzip in dubio pro auctoritate (im Zweifelsfall für die – staatliche – Obrigkeit) wurde in der katholischen Kirche erst auf dem II. Vatikanischen Konzil 1965 fallengelassen. Ebd. S. 78
3 Frey, Ulrich: Ein gerechter Friede ist möglich. Argumentationshilfe für Friedensarbeit, Hrsg. Ev. Kirche im Rheinland, Düsseldorf 2005
Jeder Stifter einer Weltreligion verhieß Frieden, und zwar im Diesseits, zu erreichen durch Toleranz, Barmherzigkeit, Menschlichkeit. Staatsgründer taten es ihnen gleich und schrieben in ihre Grundgesetze: All men are created equal (Unabhängigkeitserklärung der USA). Großartige, kluge Worte. Und doch ist die menschliche Geschichte geprägt von Gewalt und Krieg, deren Beute von wenigen eingesackt wurde und dessen Leid von den Vielen getragen werden musste.
Wie gelang es und gelingt es in fast allen Gesellschaftsformationen, die Menschen gegeneinander in Stellung und zu Mord und Totschlag zu bringen und dies noch als gute und ehrenvolle Taten zu verkaufen? Die Massenmörder schrieben und schreiben die Geschichte, sie ließen sich den Titel ‚Der Große’ zumessen, und der Tod auf dem Schlachtfeld wurde zum Heldentod verklärt, während die ‚Kollateralschäden’ ignoriert wurden. Interessen obsiegen über Ethik und Moral.
Das Projekt Münchhausen fordert alle auf, die Geschichten der großen und kleinen Kriegslügen zu erzählen, mit denen die Menschen zur Gewalt gegen einander verführt wurden – von den Kreuzzügen, über den angeblich Gerechten Krieg, den Tonking-Zwischenfall an den Küsten Vietnams, bis zur dreisten Lüge des US-Außenministers über die Atombomben des Saddam Hussein und dem Militär als letztem Mittel der angeblich Humanitären Intervention?
Wir müssen uns befreien von dem Spinnengewebe der Lügen und Legitimationsideologien, die unsere Mitmenschen zu Feinden und Feindbildern und uns zu Gewalt gegen sie in der globalisierten Gesellschaft machen wollen. Das Projekt Münchhausen soll dazu einen Beitrag leisten.