Projekt Münchhausen

Hannes Wader

Es ist an der Zeit

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn,
da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht,
im Wind der sanft über das Gräberfeld streicht.

Auf deinem Kreuz finde ich toter Soldat,
deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat die Zahl 1900 und 16 gemalt und du warst nicht einmal 19 Jahre alt.

Ja auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben, deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Lügengeschichte des Monats März 2015

Werner Ruf

US-Außenminister Colin Powell belügt die UN für Angriff auf Irak

In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts avancierte der Irak zum wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten: Nach dem Sturz des Schah erschien der irakische Präsident Saddam Hussein als natürliches und wichtiges Gegengewicht gegen die islamische Republik des Ayatollah Khomeini. In dem von Irak begonnenen Krieg gegen den Iran (1. Golfkrieg, 1980 – 1988) erhielt er deshalb massive Unterstützung von den USA. Saddam Hussein setze Giftgas (z. T. von Firmen aus Deutschland produziert) ein, gegen die eigene kurdische Bevölkerung, aber auch gegen die iranische Armee, wofür die USA Satellitenaufnahmen lieferten, auf denen die Konzentration der Gegner erkennbar war. Der spätere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bemerkte zynisch: „Saddam ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn“. Die UN reagierte auf die Klagen von Teheran nicht.

Nach dem Einfall des Iraks in Kuwait wurde den anderen Hauptverbündeten der USA, Saudi-Arabien und Israel, der Irak zu mächtig. Die UN-Sicherheitsratsresolutionen 660ff verlangten, dass der Irak sich aus dem besetzten Kuwait zurückziehen sollte. Dass die USA dann zu Anfang des Jahres 1991 ihren Krieg bis weit in den Irak hinein fortsetzten, war aber durch keine Resolution gedeckt.

Seit diesem Krieg ist Saddam Hussein von der US-Politik zum absoluten Bösewicht stilisiert worden. Zur immer wieder beschworenen Bedrohung der ganzen Region durch irakisches Giftgas fügte die Sicherheitsberaterin von Präsident George Bush (sen.), Condoleezza Rice, die wachsende Gefahr hinzu, der aggressive und unberechenbare irakische Präsident könne Atomwaffen erwerben und „die gesamte internationale Gemeinschaft“ bedrohen. Schon fast mit Besessenheit versuchte die Bush-Administration die These von der atomaren Bewaffnung des Irak zu beweisen. So wurde der US-Diplomat Joseph C. Wilson 2002 in den Niger entsandt, einen der wichtigsten Uran-produzierenden Staaten, um dort nach Belegen für den Export von Uran nach Irak zu suchen. Übersehen wurde dabei wohl, dass die nigrische Uran-Produktion damals noch unter ausschließlicher Kontrolle der halbstaatlichen französischen Firma Areva erfolgte.

Als Wilson am 6. Juli 2003 in der New York Times einen Artikel über seine Mission schrieb und darin feststellte, dass er keinerlei Beweise für Uran-Lieferungen an den Irak hatte finden können, ließ die Bush-Administration durchsickern, dass seine Ehefrau, Valerie Plame, CIA-Agentin war, was dann zur so genannten Plame-Affäre führte: Der Verrat von geheimdienstlichen Tätigkeiten ist nach US-Gesetzen ein schweres kriminelles Vergehen. Die Enttarnung Plames wurde in den US-Medien als Racheakt gegen ihren Ehemann interpretiert, da dieser die geforderten „Beweise“ für die atomare Bewaffnung des Irak nicht geliefert hatte.

Zur hier verfolgten Frage der Massenvernichtungswaffen des Irak ist festzuhalten: In der Folge des 2. Golfkriegs wurde mit der Resolution 687 vom 3. April 1991 ein Waffenstillstand beschlossen und zugleich festgelegt, dass etwa vorhandene Bestände an Massenvernichtungswaffen des Irak unter Aufsicht einer UN-Kommission (UNSCOM) vernichtet werden sollten. 1998 wies Saddam Hussein die Kommission aus, bevor diese ihre Arbeit abschließen konnte. Begründung des Irak: Mehrere Inspektoren seine in Wirklichkeit Agenten der CIA. Einer der Inspektoren, der US-Offizier Scott Ritter, erklärte zwei Jahre nach Ende der Mission (2000), dass im Jahre 1998 die gesamte Infrastruktur für die Produktion chemischer Waffen von der Kommission erfasst und unter ihrer Aufsicht zerstört worden war.

Immer wieder hatten die USA den Irak wegen der behaupteten Existenz von Massenvernichtungswaffen mit Krieg bedroht und dabei versucht, ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für eine militärische Intervention zu bekommen. Am 17. Dezember 1999 verabschiedete der Sicherheitsrat schließlich die Resolution 1284. Sie verlangte die Wiederaufnahme der Inspektionen durch eine neue Kommission unter dem Namen UNMOVIC, die nach anfänglichem Widerstand durch Bagdad schließlich einreisen durfte. UNMOVIC sollte „unmittelbaren, bedingungslosen und unbeschränkten Zugang zu allen Gebieten, Einrichtungen, Ausrüstungen, Lagern und Transportmitteln haben, die sie inspizieren will“ (Ziff. 4). Aufgabe der Mission sollte die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen sein mit dem Ziel, im Mittleren Osten eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone zu schaffen, eine Formulierung, die unter geografischen Gesichtspunkten auch den Staat Israel betrifft. Die Mission sollte in Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien tätig sein. Hierdurch wurde ein besonderer Schwerpunkt auf ein mögliches Atomwaffenprogramm des Irak gelegt.

Verschärft wurde die Gangart gegen den Irak dann durch die Resolution 1441 (8. Nov. 2002), die das Inspektionsregime für „chemische, biologische und nukleare Waffen, ballistische Raketen und andere Trägersysteme“ verstärkte und dem Irak im Falle mangelnder Kooperation „mit schweren Konsequenzen“ (Ziff. 13) drohte.

Die USA eskalierten den Konflikt weiter, indem sie unter „schweren Konsequenzen“ nun die Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens forderten. Um ein solches Eingreifen rechtfertigen zu können, legte am 5. Februar 2003 der damalige US-Außenminister Colin Powell dem UN-Sicherheitsrat in Form einer Power-Point-Präsentation „Beweismaterial“ für die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen vor: Kernstück dieser Präsentation war ein Computer-generiertes Bild einer behaupteten Produktionsanlage für biologische Waffen, die auf Lastkraftwagen montiert und mit Planen überdeckt sein sollte:

Wikipedia

Im Sicherheitsrat stimmten die Ständigen Mitglieder Russland, China und Frankreich einer Kriegsermächtigung nicht zu, wohl auch aufgrund der den Mitgliedern bekannten Dürftigkeit der Argumentation der USA.

Zu Powells Vorwurf erklärte der Irak, LKWs dieses Typs existierten tatsächlich, jedoch handele es sich dabei um fahrbare Labors für Lebensmittelkontrollen, die überdies den Inspektoren der UNMOVIC bekannt seien. Trotzdem begann am 19. März 2003 die Invasion der USA gemeinsam mit einer „Koalition der Willigen“, an der an vorderster Front Großbritannien beteiligt war. Am 1. Mai 2003 erklärte US-Präsident George W. Bush im Kampfanzug auf dem US-Flugzeugträger USS Abraham Lincoln den Krieg für beendet „mission accomplished“.

Am 6. Juni 2003, also lange nach Kriegsbeginn und fünf Wochen nach dessen offizieller Beendigung präsentierte der Leiter der UNMOVIC, der schwedische Diplomat Hans Blix, dem UN-Sicherheitsrat den Abschlussbericht der Mission. Darin stellte er fest, dass UNMOVIC für die von Powell aufgestellte Behauptung keinerlei Beweise gefunden habe. Angesichts der Brisanz der Lage hatten Blix und El Baradei am 14. Februar den Sicherheitsrat über die (noch vorläufigen) Erkenntnisse der Kommission hingewiesen. Der Generaldirektor der IAEO, El Baradei, hatte ferner in einem Bericht vom 7. März 2003 festgestellt, dass die Inspekteure keinerlei Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm gefunden hatten. IAEA.

Wohl deshalb forderten die USA den vorzeitigen und sofortigen Rückzug der Waffeninspekteure kurz vor Ende des Mandats: Die Mission hätte in diesem Falle niemals einen Abschlussbericht vorlegen können.

Colin Powell bedauerte später, im Juni 2012, öffentlich seine lügenhafte Präsentation vor dem UN-Sicherheitsrat („of course I regret that a lot of it turned out to be wrong“). rawstory.com.

Hauptmotiv für den Völkerrechtsbruch der USA und ihrer Koalition der Willigen war daher nicht die Bedrohung der Welt durch irakische Massenvernichtungswaffen sondern die später auch verwirklichte Absicht, die Kontrolle über die bis dahin in staatlichem Besitz befindliche Erdölproduktion des Irak zu übernehmen und den Plan zu verhindern, demzufolge Irak und Venezuela die Fakturierung von Erdöl in Zukunft nicht mehr in Dollar, sondern in Euro vornehmen wollten.


World Wide Web aixpaix.de

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Projekt Münchhausen

Jeder Stifter einer Weltreligion verhieß Frieden, und zwar im Diesseits, zu erreichen durch Toleranz, Barmherzigkeit, Menschlichkeit. Staatsgründer taten es ihnen gleich und schrieben in ihre Grundgesetze: All men are created equal (Unabhängigkeitserklärung der USA). Großartige, kluge Worte. Und doch ist die menschliche Geschichte geprägt von Gewalt und Krieg, deren Beute von wenigen eingesackt wurde und dessen Leid von den Vielen getragen werden musste.

Wie gelang es und gelingt es in fast allen Gesellschaftsformationen, die Menschen gegeneinander in Stellung und zu Mord und Totschlag zu bringen und dies noch als gute und ehrenvolle Taten zu verkaufen? Die Massenmörder schrieben und schreiben die Geschichte, sie ließen sich den Titel ‚Der Große’ zumessen, und der Tod auf dem Schlachtfeld wurde zum Heldentod verklärt, während die ‚Kollateralschäden’ ignoriert wurden. Interessen obsiegen über Ethik und Moral.

Das Projekt Münchhausen fordert alle auf, die Geschichten der großen und kleinen Kriegslügen zu erzählen, mit denen die Menschen zur Gewalt gegen einander verführt wurden – von den Kreuzzügen, über den angeblich Gerechten Krieg, den Tonking-Zwischenfall an den Küsten Vietnams, bis zur dreisten Lüge des US-Außenministers über die Atombomben des Saddam Hussein und dem Militär als letztem Mittel der angeblich Humanitären Intervention?

Wir müssen uns befreien von dem Spinnengewebe der Lügen und Legitimationsideologien, die unsere Mitmenschen zu Feinden und Feindbildern und uns zu Gewalt gegen sie in der globalisierten Gesellschaft machen wollen. Das Projekt Münchhausen soll dazu einen Beitrag leisten.