Projekt Münchhausen

Hannes Wader

Es ist an der Zeit

Weit in der Champagne im Mittsommergrün,
dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blühn,
da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht,
im Wind der sanft über das Gräberfeld streicht.

Auf deinem Kreuz finde ich toter Soldat,
deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat die Zahl 1900 und 16 gemalt und du warst nicht einmal 19 Jahre alt.

Ja auch dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun.
Und du hast ihnen alles gegeben, deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Prof. Dr. Mohssen Massarrat

Eine Riesen-Lügengeschichte Ankaras platzt und wird entsorgt

Die türkische Regierung hatte offensichtlich geplant, einen Angriffskrieg gegen Syrien zu provozieren. An einem abgehörten Gespräch im türkischen Außenministerium nahmen der türkische Außenminister, sein Staatssekretär, der Geheimdienstchef und der Vize-Generalstabschef teil. Dabei erklärte der Geheimdienstchef, durch einen fingierten Raketenangriff auf das Grabmal eines osmanischen Sultans an der türkisch-syrischen Grenze, der Syrien angelastet würde, könne ein Vorwand für einen Angriff auf Syrien geschaffen werden.

Vor dem Grabmal von Süleyman Sah in Aleppo, einer Exklave der Türkei in Syrien, kämpfen islamistische Kräfte gegen Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) In diesem Zusammenhang hatte die ISIS-Miliz von der Türkei ultimativ gefordert, die türkische Flagge von dem Grabmal zu entfernen. Was diese selbstverständlich verweigerte und ihre Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzte. Würde das Grabmal nun tatsächlich beschossen werden, ergäbe sich ein Grund für die Türkei militärisch einzugreifen.

„In dem Gespräch hört man angeblich Außenminister Davutoglu sagen, Erdogan habe ihm persönlich mitgeteilt, dass ein möglicher Angriff auf das Grabmal als Chance gesehen werden müsse. Geheimdienstchef Fidan erwiderte: Wenn es nötig sei, schicke er Leute über die Grenze und lasse Raketen in unbewohnte Gebiete der Türkei schießen oder das Grabmal angreifen.. Das ist kein Problem, ein Grund lässt sich liefern.“ (FR 28.3.2014) Mit diesem selbstprovozierten Angriffskrieg sollte in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen werden.

Für beabsichtigte türkische Kriegsprovokation spricht auch der Abschuss einer syrischen Militärmaschine im syrischen Luftraum durch die Türkei einige Tage zuvor. Diese offensichtliche Falle für die syrische Regierung hat allerdings nicht funktioniert, da Syrien nicht mit einem Gegenschlag antwortete. Nach den Informationen des amerikanischen Journalisten Seymour M. Hersh1 hat die Erdogan-Regierung die islamistischen Rebellen mit Waffenlieferungen unterstützt (Rat Line) - lange Zeit in Zusammenarbeit mit den USA, die für die Waffenlieferung aus Libyen sorgte.

Nach der Veröffentlichung des abgehörten Gesprächs auf Youtube, ließ Ankara Youttube sofort sperren. Unmittelbar am Abend des 27. März 2014 berichteten westliche Sender zunächst spontan über die türkischen Kriegsplanungen. In der ZDF heute-Redaktion empörte sich Klaus Kleber sinngemäß 'das Nato-Land Türkei plante einen Krieg - Gottseidank, dass das Vorhaben vorher herausgekommen ist'.

Zu erwarten waren ausführlichere Berichte zu diesem Skandal in den darauf folgenden Nachrichtensendungen. Doch, siehe da, schon 2 Stunden später war in den ZDF-Spätnachrichten nur noch von einer abgehörten Konferenz in der Türkei die Rede und nicht mehr von dessen Inhalt. Am nächsten Morgen hörte man so gut wie nichts mehr über diesen brandneuen Türkei-Skandal, weder in den Fernseh- noch in den Radiosendungen, mit, so weit bekannt, einer Ausnahme: Euronews berichtete kurz, aber sehr verharmlosend über den Fall. Erst nach ca. 12 Stunden völligem Schweigen kamen wieder Meldungen, allerdings unvollständig und ohne auf die eigentliche Brisanz aufmerksam zu machen.

Vermutlich entdeckte die russische Regierung, dass diese Nachricht zu einer handfesten Nato-Krise führen könnte. Sie platzierte die Nachricht sofort in den entsprechenden Internet-Medienplattformen, um die Krim-Krise aus den Schlagzeilen zu kriegen. Die Nato-Staaten hätten sich anstelle von Sanktionen gegen Russland viel stärker mit dem Skandalfall Türkei befassen müssen.

Die türkische Regierung stand wegen vieler Skandale mit dem Rücken zur Wand. Die Kommunalwahlen standen unmittelbar bevor. Alles dies sorgte seit längerem bei der türkischen Regierung für Unruhe. Hatte auch deshalb die türkische Regierung erwogen, durch einen  Angriffskrieg gegen Syrien mit einem Schlag ihre eigenen schwerwiegenden innenpolitischen Skandale vergessen zu machen?

Die Nato und ihre Regierungen glaubten anscheinend, durch die systematische Verharmlosung und Unterdrückung der Skandal-Nachricht, der eigenen Krise zuvorkommen und einen geplanten Angriffskrieg eines Nato-Landes gegen einen Nachbarstaat vertuschen zu können. Die Türkei hätte schon durch die Planung eines Angriffskriegs gegen den Nato-Vertrag verstoßen und die Nato hätte, um der eigenen Glaubwürdigkeit willen, hier Konsequenzen ziehen müssen. Auch die Befassung des Haager Gerichtshofs mit diesem Fall wäre durchaus denkbar gewesen. Die öffentliche Debatte über viele andere Kriege, die durch selbst gelieferte Vorwände, - vor allem durch die USA - vom Zaun gebrochen worden sind, hätte wochenlang die Themen bestimmt. Wurde deshalb dieser ungeheure Skandal im Westen offensichtlich zentral gesteuert zensiert?

So oder so haben wir inzwischen nicht nur einen Skandal der türkischen Regierung, sondern auch einen Skandal der Nato insgesamt. Warum berichteten die Medien auf einmal nicht mehr über die Handlungen eines Nato-Mitgliedslandes, die zu einem Flächenbrand im Mittleren Osten hätten führen können. Wer hat die Anweisung erteilt, dass die Nachricht darüber in den deutschen Medien derart heruntergespielt wurde, um sie dann gezielt aus den Medien hinaus zu katapultieren? War die Bundesregierung selbst an einer offensichtlichen 'Zensur' beteiligt? War die geplatzte Lügengeschichte so diskreditierend, dass sie NATO-gemeinschaftlich entsorgt werden musste?

1Hersh, Seymour M.: The Red Line and the Rat Line, London Review of Books vom 4.6.2014


World Wide Web aixpaix.de

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Projekt Münchhausen

Jeder Stifter einer Weltreligion verhieß Frieden, und zwar im Diesseits, zu erreichen durch Toleranz, Barmherzigkeit, Menschlichkeit. Staatsgründer taten es ihnen gleich und schrieben in ihre Grundgesetze: All men are created equal (Unabhängigkeitserklärung der USA). Großartige, kluge Worte. Und doch ist die menschliche Geschichte geprägt von Gewalt und Krieg, deren Beute von wenigen eingesackt wurde und dessen Leid von den Vielen getragen werden musste.

Wie gelang es und gelingt es in fast allen Gesellschaftsformationen, die Menschen gegeneinander in Stellung und zu Mord und Totschlag zu bringen und dies noch als gute und ehrenvolle Taten zu verkaufen? Die Massenmörder schrieben und schreiben die Geschichte, sie ließen sich den Titel ‚Der Große’ zumessen, und der Tod auf dem Schlachtfeld wurde zum Heldentod verklärt, während die ‚Kollateralschäden’ ignoriert wurden. Interessen obsiegen über Ethik und Moral.

Das Projekt Münchhausen fordert alle auf, die Geschichten der großen und kleinen Kriegslügen zu erzählen, mit denen die Menschen zur Gewalt gegen einander verführt wurden – von den Kreuzzügen, über den angeblich Gerechten Krieg, den Tonking-Zwischenfall an den Küsten Vietnams, bis zur dreisten Lüge des US-Außenministers über die Atombomben des Saddam Hussein und dem Militär als letztem Mittel der angeblich Humanitären Intervention?

Wir müssen uns befreien von dem Spinnengewebe der Lügen und Legitimationsideologien, die unsere Mitmenschen zu Feinden und Feindbildern und uns zu Gewalt gegen sie in der globalisierten Gesellschaft machen wollen. Das Projekt Münchhausen soll dazu einen Beitrag leisten.