Friedensgemeinde San José de Apartadó (Kolumbien)

Friedliche Insel mitten im Krieg

Der Logik des Bürgerkriegs verweigert sich die Friedensgemeinde von San José de Apartadó. Seit 1995 pocht die aus rund 220 Familien bestehende Dorfgemeinschaft in Kolumbien auf ihr Recht auf Neutralität. Von den kriegführenden Akteuren wird das nicht respektiert, doch die internationale Solidarität hat den Bauern neue Perspektiven eröffnet.

Der Eingang zur Friedensgemeinde. Fotos: pbi

Schweißperlen schimmern auf der Stirn von Bernardo Gómez als er die Hochebene erreicht. Ein letztes Mal treibt er die Mulis an, die allerlei Güter für La Unión, ein abgelegene Dorf im Hinterland der kolumbianischen Bananenregion Urabá, tragen. Dann taucht das Gatter auf, das den Eingang zur Comunidad de Paz San José de Apartadó markiert. Daneben steht ein großes buntes Blechschild mit dem Symbol der Friedensgemeinde von San José de Apartadó - der zwischen den grünen Hügeln aufgehenden Sonne. Neben dem Symbol sind in dicken schwarzen Lettern die fünf Regeln aufgeführt, die in La Unión genauso wie in den anderen Dörfern und Weilern gelten, die sich zur Friedensgemeinde zusammengeschlossen haben.

„Im März 1997 war das“ erklärt Berta Tuberquia. „Damals haben wir die Gründungsurkunde unten in San José im Beisein von Vertretern der Diözese von Apartadó und von Pater Javier Giraldo unterzeichnet“, so die 36-jährige Frau mit den hochgesteckten schwarzen Haaren. „Die Haltung auf unsere Neutralität, auf eine pazifistische Lebensweise zu bestehen, ist schließlich auch eine christliche“, erklärt die sympathische Frau, die Besucher in La Unión oft in Empfang nimmt. Berta Tuberquia ist die einzige Frau im Rat, dem siebenköpfigen Führungsgremium der Friedensgemeinde. Zu dem gehört mit Wilson David Higuita ein weiteres Dorfmitglied und gemeinsam haben die beiden die pazifistische Dorfgemeinschaft auch schon im Ausland vertreten.  

Überleben mitten im Krieg

Eine Dorfgemeinschaft zwischen allen Stühlen, denn in Kolumbien tobt nach wie vor ein Bürgerkrieg. Der ist auch kaum zu übersehen, denn auf dem Weg von San José de Apartadó, dem kleinen Dorf, in dem die Friedensgemeinde vor über zwölf Jahren gegründet wurde, ins zwei Stunden Fußmarsch entfernte La Unión tauchen mehrfach schwerbewaffnete Uniformierte auf – Armeeangehörige. Doch auch die Guerilla und die Paramilitärs agieren in der fruchtbaren, von Hügeln dominierten Region nahe der Grenze zu Panama. „Keiner der bewaffneten Akteure respektiert unser Recht auf Neutralität. Immer wieder drangen sie mit ihren Waffen in unsere Dörfer ein“, klagt Berta und streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Waffen sind auf dem Gebiet der Gemeinde genauso verboten wie die Unterstützung der bewaffneten Akteure. „Zudem verpflichten sich die Mitglieder der Friedensgemeinde gegen die Straflosigkeit, in Kolumbien weit verbreitet, einzutreten und Gemeinschaftsarbeit zu leisten“ erklärt die kleingewachsene Frau und deutet auf das Blechschild neben dem Gatter. Dort sind die Regeln aufgeführt, die international einige Beachtung, national aber eher Anfeindungen hervorgerufen haben. Von der Guerilla wurde die Friedensgemeinde mehrfach der Kollaboration mit der Armee und den Paramilitärs bezichtet und umgedreht ist es nicht anders. „Es ist sehr schwer mitten im Krieg zu leben“, sagt die Ratsfrau mit leiser Stimme und stapft in ihren Gummistiefeln auf den nach allen Seiten offenen Versammlungspavillon in der Mitte des kleinen Dorfes zu. 48 Familien leben derzeit in La Unión und gegen Abend trifft man sich in aller Regel im Pavillon, um alles nötige für den folgenden Arbeitstag zu planen. Auch Wilson Higuita, Bertas Compañero im Rat der Friedensgemeinde, ist gerade von der Arbeit in einer der Bananenplantagen des Dorfes zurückgekommen. „Wir arbeiten immer in kleinen Gruppen, denn es ist zu gefährlich allein unterwegs zu sein“, erklärt der 34-jährige Familienvater mit dem dünnen Bärtchen auf der Oberlippe. 195 Mitglieder der Friedensgemeinde wurden seit der Gründung ermordet. Ein immenser Blutzoll angesichts von derzeit rund 1350 Bewohner. Unnötige Risiken werden daher strikt vermieden. „Wenn bewaffnete Akteure im Umfeld des Dorfs unterwegs sind, wird im Dorf gearbeitet“, erklärt Wilson Higuita und schiebt den Hut in den Nacken. Im Dorf ist es sicher, dafür sorgt die Präsenz der internationalen Begleitorganisationen. Neben den internationalen Friedensbrigaden (pbi) sind Freiwillige von Fellowship of Reconciliation (FOR), einer Begleitorganisation aus dem englischsprachigen Raum, und auch italienische Freiwillige regelmäßig in La Unión und dem zweiten großen Dorf der Gemeinde, San Josecito, präsent.

„Wir sind der Fisch, aber die Kraft zu schwimmen gibt uns erst die internationale Solidarität“, erklärt Berta mit fester Stimme und streichelt der jüngsten ihrer insgesamt fünf Kinder den Kopf. Über dreizehn Jahre schwimmt die Gemeinde nun bereits gegen den Strom und der Schlag der Flossen wird stärker. Das hat auch damit zu tun, dass die ökonomischen Perspektiven, die sich die Bauern in den letzten Jahren aufgebaut haben, langsam zu tragen beginnen.               

Perspektiven aus dem Bioanbau

Bananen

„Vor etwa acht Jahren haben wir uns entschieden auf ökologischen Anbau umzustellen. Mittlerweile sind unsere Anbauflächen zertifiziert und wir verkaufen unseren Kakao und unsere kleinen Bananen an Fair Trade-Unternehmen in Deutschland“, erklärt Wilson Higuita. Er selbst hat den Kontakt zum Bananeimporteur BanaFair mit aufgebaut und seit einigen Monaten verlässt alle zwei Wochen ein Container mit Bananitos den Hafen von Cartagena in Richtung Deutschland. Vor allem in Weltläden werden die kleinen schmackhaften Bananen angeboten und der Friedensgemeinde bringen die Früchte eine kontinuierliche Einnahme. „Das ist ein immenser Vorteil gegenüber dem Kakao“, erklärt der Bananenexperte des Dorfes, Javier Sánchez. Der wird schließlich nur einmal geerntet und die Erträge sind in den letzten Jahren rückläufig. Klimatische Probleme, vor allem zu viel Feuchtigkeit, macht der 38-jährige Sánchez dafür verantwortlich, dass die Menge der aromatischen Bohnen, die in diesem Jahr an die Fair Trade Company Gepa nach Wuppertal verkauft wird, wohl erneut sinken wird. Doch mit den beiden Partnern aus Deutschland steht die Friedensgemeinde ökonomisch merklich besser da, freut sich Berta Tuberquia. Alle zwei Wochen steht sie an der Packstation in La Unión und klebt das Logo der Gemeinde auf jede zweite oder dritte Banane. Die werden - sorgsam in Pappkartons verpackt - auf dem Rücken der Mulis dann ins Tal nach San José de Apartadó geschafft. Keine einfache Tour für den Mulitreiber Bernardo Gómez. Ohne die kleinen Bananen wäre es um die Perspektiven der Gemeinde jedoch schlecht bestellt.  

Knut Henkel


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