Otmar Steinbicker
Neue Weltordnung? Es gibt keine sinnvolle Alternative zur UNO!
Aachener Nachrichten, 23.06.2018
Die westliche Nachkriegsordnung ist zerbrochen. So oder ähnlich lauten immer häufiger die Kommentare in wichtigen Medien unseres Landes anlässlich eines gescheiterten G7-Gipfels, eines begonnenen Handelskrieges zwischen den USA und der EU sowie diversen irrlichternden Auftritten des amtierenden US-Präsidenten.
Sicherlich spielt Donald Trump seine eigene persönliche Rolle bei der Zuspitzung der Konflikte zwischen den USA und der EU. Doch die Ursachen für diese Konflikte liegen letztlich tiefer. Sie waren seit Jahren erkennbar und prägten bereits das Weißbuch der Bundeswehr 2016, zu dessen Erscheinungstermin noch so gut wie niemand eine Präsidentschaft Trumps für ernsthaft möglich hielt.
Es haben sich im Laufe der Jahre deutlich unterschiedliche strategische Interessen auf beiden Seiten des Atlantiks herausgebildet. Die USA suchen eine stärkere militärische Präsenz im Pazifik gegenüber ihrem ökonomischen Hauptkonkurrenten China. Das interessiert die EU kaum. Die EU wiederum sucht eine Abwehr der Migration von südlich des Mittelmeeres notfalls auch mit militärischen Mitteln. Das ist kein Thema für die USA, wo beim Thema Migration der Blick vor allem auf Mexiko gerichtet ist.
Wer jetzt eine alte Ordnung zerbrochen sieht, wird nach einer neuen Ausschau halten. Auch da steht seit Jahren eine verstärkte Konzentration auf einen weiteren Ausbau der EU – auch als Militärmacht – auf der Agenda. Gedacht wird dabei eher an eine Art verkleinerter Nato ohne die USA.
Zu bedenken ist allerdings, dass die Nato weder als „Nachkriegsordnung“ konzipiert, noch später eine solche war. Sie war ein Produkt und ein Instrument des Kalten Krieges, so wie auf der anderen Seite der Elbe der Warschauer Pakt.
Gründliche Reform nötig
Als gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Völkergemeinschaft über eine Nachkriegsordnung nachdachte, die künftige Kriege vor allem einer solchen Dimension ausschließen sollte, ging es nicht um ein Militärbündnis, das gegen einen „Feind“ zu richten sei, sondern um die Schaffung eines internationalen Forums, in dem zwischenstaatliche Konflikte auf dem Verhandlungswege gelöst werden sollten. Zu diesem Zweck wurden die Vereinten Nationen geschaffen. Hier saßen sich die Staaten nicht als Blöcke gegenüber, sondern gemeinsam an einem Tisch, um über Probleme mit der Suche nach einer Lösungsperspektive zu beraten.
Viele bereits bei der Gründung der UNO vorhandene gute Ansätze wurden später nicht weiterentwickelt und die konstruktive Atmosphäre der ersten Jahre wich schon bald der Konfrontation des Kalten Krieges. Andere Instrumente wie das Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates erwiesen sich unter den Konfrontationsbedingungen als problematisch.
Dennoch gibt es keine sinnvolle Alternative zur UNO, wohl aber die Notwendigkeit zu einer gründlichen Reform. Gerade in Zeiten, in denen mit den USA die einstmals stärkste ökonomische Macht der Welt schwächelt und andere außereuropäische ökonomische Mächte wie China und Indien stärker werden und eine zunehmende Rolle in allen Bereichen der Weltpolitik spielen, ist eine funktionierende internationale Kooperation und eine Überwindung des hinderlichen militärischen Blockdenkens unerlässlich. Möglicherweise sind auch weitere neue Kooperationsformate sinnvoll, soweit sie nicht als Konkurrenz zur UNO, sondern als Ergänzung unter dem UNO-Schirm fungieren. Das betrifft auch den Ausbau regionaler Abmachungen nach Kapitel VIII der UNO-Charta.
Kollektive Sicherheit
Entscheidend für die UNO ist das Prinzip der kollektiven Sicherheit, nach dem Staaten nicht in Blöcken gegeneinander, sondern an einem Tisch miteinander kooperieren. Ein solcher Ansatz erfordert auch ein Umdenken im Prozess der europäischen Zusammenarbeit, da dann alle Staaten des Kontinents zusammenwirken müssen, nicht nur die Staaten, die derzeit der EU angehören.
Eine Beendigung der militärischen Blockbildung würde darüber hinaus ernsthafte Abrüstung ermöglichen und enorme finanzielle Mittel für die Lösung dringender internationaler Probleme freisetzen.
Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier