Otmar Steinbicker
Ergebnis von Minsk kann nur die grobe Richtung für eine Lösung des Ukraine-Konflikts vorgeben
Aachener Nachrichten, 14.02.2015
Die Aufregung um den Ukraine-Gipfel in Minsk hat sich gelegt, die ersten schnell geschriebenen Kommentare sind gelesen. Jetzt lohnt es, gründlicher hinzusehen.
Die wichtigste Erkenntnis: Eine Lösung der Ukraine-Krise kann es nur mit und nicht gegen Russland geben. Vor einem Jahr auf dem Höhepunkt der Maidan-Bewegung hatten Deutschland, Frankreich und Russland gemeinsam ein Abkommen vermitteltet, das die Bildung einer Übergangsregierung sowie die Abhaltung von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen noch im Jahr 2014 vorsah. Die ukrainische Opposition, darunter bekennende Rechtsextremisten, zog es vor, den verhassten Präsidenten Viktor Janukowytsch sofort zu stürzen.
Russland drängte mehrfach auf Einhaltung des Abkommen, doch im Westen zuckte man die Schultern: Die Verhältnisse hatten sich geändert. Die russische Antwort bestand in der Annexion der militärstrategisch bedeutenden Halbinsel Krim. Der Westen drängte auf Einhaltung des Völkerrechts, doch in Russland zuckte man die Schultern: Die Verhältnisse hatten sich geändert.
Risiken wurden fortgeschrieben
Sanktionen, Drohungen und Konfrontationen bestimmten fortan das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. In der Ukraine brach offener Krieg aus, befeuert durch Zurufe und Geld aus Ost und West, auch durch massive russische Waffenlieferungen, Kriegsfreiwillige und wahrscheinlich auch reguläre Soldaten.
Ein erster Versuch im vergangenen September in Minsk, den Krieg durch ein Waffenstillstandsabkommen zu beenden, scheiterte letztlich an der fehlenden Bereitschaft der ukrainischen Akteure, dieses umzusetzen. Der Krieg in der Ukraine eskalierte weiter und drohte, zu einer militärischen Konfrontation zwischen der Nato und Russland zu führen, an deren Eskalationsende ein Atomkrieg nicht mehr völlig undenkbar schien.
Ist diese Gefahr jetzt gebannt? Skeptiker weisen darauf hin, dass in dem neuen Waffenstillstandsabkommen die meisten der damals getroffenen Festlegungen erneut notiert und lediglich um konkretere Zeitvorgaben und bessere Überwachungsmöglichkeiten durch die OSZE ergänzt wurden. Damit wurden erhebliche Risiken fortgeschrieben.
Doch in ihrer unterzeichneten Erklärung bekräftigen Angela Merkel, Francois Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko explizit „ihre uneingeschränkte Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine“. Damit dürften Separatistenträume von „Novorussia“ ausgeträumt sein. Und weiter heißt es: „Die Staats- und Regierungschefs werden zu diesem Prozess beitragen und ihren Einfluss auf die jeweiligen Parteien ausüben, um die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets zu erleichtern.“ Damit scheint Putin bereit zu sein, in seinem „Schachspiel“ die Separatisten als „Bauern“ zu opfern. Allerdings kann das Ergebnis von Minsk nur die grobe Richtung für eine Lösung vorgeben. In wichtigen Details muss nachgearbeitet werden, da drohen neue Zwistigkeiten.
Gemeinsame Perspektiven
Die Erklärung geht in ihren Zielsetzungen im Übrigen weit über den innerukrainischen und den ukrainisch-russischen Konflikt hinaus. Explizit bekennen sich die Gipfelteilnehmer „unverändert zur Vision eines gemeinsamen humanitären und wirtschaftlichen Raums vom Atlantik bis zum Pazifik auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts und der Prinzipien der OSZE.“
Hier geht es um gemeinsame Perspektiven. Letztlich haben die Sanktionen, Drohungen und Konfrontationen Russland zwar geschadet, aber nicht von seinem Kurs abbringen können. Auch der EU und Deutschland haben diese Maßnahmen geschadet und die Politik gegenüber Russland in die Sackgasse geführt. Einen Ausweg aus der verfahrenen Situation über gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu suchen, erscheint da verlockend und erinnert ein wenig an alte Zeiten erfolgreicher, weil realistischer Entspannungspolitik.
Aber auch eine solche Zielsetzung darf ebenso wenig wie Waffenstillstandsvereinbarungen in Erklärungen steckenbleiben. Die neuen Sanktionsbeschlüsse der EU nach dem Minsker Gipfel gehen in die falsche Richtung. Damit wird womöglich ein erneutes Scheitern programmiert.
Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier