Otmar Steinbicker

Konfliktprävention? Außenminister Maas setzt auf militärische Faktoren!

Aachener Nachrichten, 24.03.2018

Otmar Steinbicker, Foto: Beate Knappe

Mit Spannung wurde die Regierungserklärung des neuen Außenministers Heiko Maas am Mittwoch erwartet. Maas gehörte bisher nicht zu den Außenpolitikern der Sozialdemokraten. Würde er ein „Weiter so“ in der deutschen Außenpolitik verkünden oder neue Zeichen setzen? Seine Rede ließ aufhorchen.

Seine Aussage, Russland sei der größte Partner Europas im Osten, mag vielleicht auf den ersten Blick unverfänglich erscheinen. Sie besagt aber in letzter Konsequenz, dass Russland aus der Sicht des deutschen Außenministers nicht mehr zu Europa gehört. Das ist eine klare Absage an Michail Gorbatschows Vision eines „gemeinsamen Hauses Europa“ und kann als Aufkündigung der „Charta von Paris für ein neues Europa“ gedeutet werden, mit der 1990 die Staaten der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) das Ende des Kalten Krieges besiegelten.

Dass es mit Russland schwierige Konflikte gibt, bleibt unbenommen. Solche kann es mit Mitbewohnern im gleichen Hause geben, um in Gorbatschows Sprachbild zu bleiben. Es geht vielmehr darum, wie solche Konflikte bearbeitet und gelöst werden. Der heutige Bundespräsident und frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte hier positive Zeichen gesetzt, zuletzt im zweiten Halbjahr 2016 als turnusmäßiger Vorsitzender der OSZE, der Nachfolgeorganisation der KSZE.

Heiko Maas bot in seiner Rede keine Lösungsansätze, geschweige denn Perspektiven – weder für den Konflikt mit Russland noch für andere Konfliktherde. Der Begriff der Konfliktprävention, zu der das Auswärtige Amt in der Amtszeit Steinmeiers eine breite gesellschaftliche Diskussion eröffnete, in der auch Stimmen aus der Friedensforschung und Friedensbewegung zu Wort kamen, fand sich in Maas Rede nicht, stattdessen deutlich der Begriff der „militärischen Faktoren“.

Hatte noch das Weißbuch der Bundeswehr 2016 zwar mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr, dafür aber eher kleinere, weniger personalintensive in Aussicht gestellt und eher den Verzicht auf Kampfeinsätze und stattdessen Ausbildungshilfe für ausländische Armeen angedeutet, so scheute Maas nicht davor zurück, größere Kriegseinsätze an die Wand zu malen und eine frühere Zurückhaltung Deutschlands indirekt zu kritisieren.

So kündigte der Außenminister die Bewerbung Deutschlands für einen nichtständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat an und bemerkte in diesem Zusammenhang, dass dann „Wegducken“ für Deutschland keine Option sein könne. Er nannte als Stichworte Irak 2003 und Libyen 2011 – zwei Kriege, an denen sich Deutschland verantwortungsbewusst nicht beteiligt hatte. Dass der Irakkrieg 2003 nicht vom Uno-Sicherheitsrat gebilligt wurde, erwähnte Maas nicht und ebenso wenig, dass Deutschland 2011 als nichtständiges Mitglied im Uno-Sicherheitsrat dem Krieg gegen Libyen nicht zugestimmt hatte.

„Der Kreuzzug des Heiko Maas“ überschrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ ihren Beitrag über den neuen Außenminister. Mit seinem de facto Verzicht auf den Faktor Diplomatie in der Außenpolitik spielte Maas den politischen Ball an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen weiter, die erwartungsgemäß höhere Rüstungsausgaben explizit für die Landesverteidigung und damit mit Blick auf Russland forderte.

Die Ministerin ließ es sich nicht nehmen, wie üblich die Nato als „Wertegemeinschaft“ zu loben, obwohl die Armee des Nato-Partners Türkei völkerrechtswidrig mit aus Deutschland gelieferten Panzern und gemeinsam mit syrischen Dschihadisten in das syrische Afrin einmarschiert ist und dort nach Zeugenaussagen Verbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung beschuldigt wird.

„Kein Erklärungsbedarf“

Hatte Kanzlerin Angela Merkel den Angriff der Türkei zumindest als „nicht hinnehmbar“ verurteilt, so war dieses Thema für die Verteidigungsministerin nicht der Rede wert. Heiko Maas pochte auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und warnte vor einer dauerhaften Besatzung. Eine Verurteilung des Angriffs als völkerrechtswidrig verweigerte er auf Anfrage. Da habe er keinen Erklärungsbedarf: „Jeder kann das so bewerten, wie er will.“

Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier


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