Naqibullah Shorish
Der IS ist eine Riesengefahr für alle islamischen Staaten
04.11.2014

Foto: Krömer
Der IS ist nicht nur eine Gefahr für die USA und Europa, er ist eine Riesengefahr für alle islamischen Staaten, insbesondere für die Staaten, in denen Marionettenregierungen mit Gewalt ihre unislamischen Gesetze zu Lasten der Bevölkerung durchsetzen.
Die islamische Welt wird heute vor allem von zwei Begriffen geprägt. Zum einen „Takfir“ (Ungläubiger). Es ist Sympathisanten des IS gelungen, viele Menschen als gläubig und ungläubig abzustempeln und somit, und da kommen wir schon zum zweiten Begriff „Tafgier“ (Explosion), die Bevölkerung zum Aufstand zu bewegen. Nach dem Aufruf zum Aufstand, vermehrten sich ihre Anhänger sehr schnell. Vor allem junge Menschen in den jeweiligen Ländern, wurden vom Ausland bei dem Aufstand unterstützt.
Es gibt Beweggründe für die Jugend, zur Gewalt zu greifen, vor allem in Ländern, in denen die Regierungen gegen den Willen der Bevölkerung mit Gewalt ihre eigenen Gesetze durchsetzen. Dort wurde den Menschen nie ein Mittelweg zur Lösung von Problemen gezeigt.
Es ist aber auch wichtig zu wissen, dass Gruppierungen die zur Gewalt tendieren, von zahlreichen arabischen Staaten unterstützt wurden. Diese haben ihnen den Namen „Salafisten“ gegeben, obwohl diese Gruppierungen nichts mit den historischen „Salafisten“ zu tun haben.
Mit der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Muhammad Anwar al-Sadat 1981 wurde die Ideologie des Takfir und des Tafgier in die Tat umgesetzt. Viele Menschen die dieser Ideologie folgten, wurden gefangengenommen. Viele psind später dazu auf Distanz gegangen.
Mit dem al-Qaida-Führer Aiman Al Zawahiri im 80 jahren kam diese Ideologie auch nach Afghanistan. Während des Krieges gegen die UdSSR gaben viele Araber den Afghanen finanzielle Unterstützung. Als es später zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mujaheddin kam, war der Weg für diese Ideologie frei. Zusätzlich haben die al-Qaida-Fanatiker auch Unterstützung aus Pakistan erhalten.
2011 kam es zum „Arabischen Frühling“. Er begann in Tunesien mit dem Sturz der Regierung. Dann wurde in Ägypten Präsident Mubarak gestürzt. Nach dem Sturz seines Nachfolgers Mursi behaupteten die Fanatiker, dass es abgesehen vom Krieg, keinen Ausweg zur Lösung dieses Konfliktes gibt.
Zur Vorgeschichte des IS gehören aber auch das Massaker serbischer Truppen in der bosnischen Stadt Srebrenica, die so genannten Karikaturen des Propheten Mohammed in Dänemark und Deutschland, die Misshandlungen von Gefangenen durch US-Soldaten im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, Berichte über Koran-Schändungen im Gefängnis Bagram in Afghanistan und im US-Gefängnis in Guantanamo sowie islamfeindliche Äußerungen führender Politiker aus den USA und Europa.
Diese und weitere Faktoren haben dazu geführt, dass sich Fanatiker Gruppierungen wie dem IS angeschlossen haben. Nach aktuellen Statistiken kämpfen alleine in Syrien derzeit 3000 Afghanen an der Seite des IS. Die pakistanischen Taliban hatten öffentlich bekanntgegeben, dass sie mit dem IS zusammenarbeiten wollen. Diese Äußerung wurde später zurückgenommen, der verantwortliche Taliban-Führer abgesetzt. Dennoch wurden im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan Flugblätter für die Unterstützung des IS verteilt und es gab viele Kommandeure der afghanischen und der pakistanischen Taliban sowie der Hizb-i Islāmī, die über diese Frage heiße Diskussionen geführt haben.
Noch kann die Situation in Afghanistan durch Gespräche und Verhandlungen beruhigt und verbessert werden.
So sagte Außenminister Steinmeier in einem Interview, die Deutschen hätten die Taliban zu lange unterschätzt. Ebenfalls haben ranghohe Generäle der USA erklärt, dass dieser Konflikt nicht mehr mit Waffen gelöst werden kann.
Aber was bringt uns nun eine solche späte Erkenntnis, wenn an der Vorgehensweise nichts geändert wird? Noch immer sterben täglich auf allen Seiten unschuldige Menschen.
Sollte der IS allerdings in Afghanistan wirklich Fuß fassen können, so wird dieser Konflikt wohl noch weitere 50 Jahre andauern. Dann wird es unfassbar schwer werden, diese Ideologie wieder aus den Köpfen der Menschen zu verbannen.
Jetzt muss ein interner Dialog unter den Afghanen ohne Einmischung von außen stattfinden, damit diese die Probleme in Afghanistan selbst lösen können und so ein Signal senden, dass der IS politisch zurückgedrängt werden kann. Die Bemühungen des Westens um eine Friedenslösung, die es auch gab, waren letztlich halbherzig und erfolglos.
Naqibullah Shorish repräsentiert als Afghanistans wichtigster Stammesführer mehr als drei Millionen Stammesangehörige der Kharoti. Naqibullah Shorish ist Autor und ständiger Gesprächspartner des Aachener Friedensmagazins aixpaix.de