pax christi:

Unabhängige Menschenrechtsarbeit in Israel gefährdet

07.07.2016 – Israelische Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Respekt von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht im israelisch-palästinensischen Konflikt einsetzen, geraten im eigenen Land zunehmend unter Druck.

Mit neuen Gesetzesinitiativen versucht die israelische Regierung aktiv, die Arbeit der Organisationen zu diskreditieren und zu behindern. Gleichzeitig werden Mitarbeiter/innen und Unterstützer/innen von siedlernahen Organisationen und rechtsgerichteten Politiker/innen diffamiert und bedroht.

„Die demokratischen Handlungsspielräume in Israel sind ernsthaft in Gefahr“, betont Dr. Manfred Budzinski, Sprecher der Nahost-Kommission von pax christi. „Zivilgesellschaftliches Engagement, besonders auch als kritische Stimme gegenüber der Regierung, ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Regierungen demokratisch verfasster Staaten haben die Pflicht, Grundrechte wie das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf Information zu schützen.“

pax christi fordert deshalb Politiker und Politikerinnen in Deutschland und der EU dazu auf, ihren Einfluss gegenüber der israelischen Regierung geltend zu machen und alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die unabhängige Arbeit von Menschenrechtsorganisationen im israelisch-palästinensischen Konflikt zu sichern. Die derzeit in der Knesset diskutierten Gesetze, wie z.B. das sogenannte NGO-Gesetz, die darauf abzielen, Menschenrechtsorganisationen in ihrer Arbeit zu behindern, müssen aus dem gesetzgebenden Verfahren zurückgezogen werden. Eine starke und lebendige Demokratie sollte unabhängige Menschenrechtsorganisationen als Mehrwert, nicht als Bedrohung sehen.

Die israelische Regierung, Sicherheitskräfte und Justiz sollten ferner dazu aufgefordert werden, für die persönliche Sicherheit von Menschenrechtsverteidiger/innen zu sorgen und strafrechtlich relevante Übergriffe zu verfolgen.

Hintergrundinformationen

Israelische und palästinensische Bürgerrechtsorganisationen beobachten in den letzten Jahren eine zunehmende Bedrohung von demokratischen Freiheitsrechten in Israel. Betroffen hiervon seien soziale, politische und nationale Minderheiten, aber besonders auch Organisationen und Initiativen, die sich für Menschenrechte und Frieden im israelisch-palästinensischen Konflikt einsetzen. Besorgniserregend sei vor allem, dass diese antidemokratischen Vorstöße von Regierungskreisen und dem israelischen Parlament ausgehen, zu deren Aufgaben es eigentlich gehört, die Demokratie zu schützen.

So steht in Kürze in der Knesset das sogenannte NGO-Gesetz zur 2. und 3. Lesung an, das die Rechte von regierungskritischen in Israel registrierten Organisationen weiter beschneiden soll. Bereits jetzt gelten bei ihnen deutlich höhere Transparenzstandards als bei anderen israelischen Organisationen. Sie sind verpflichtet, ihre Finanzierungsquellen minutiös offenzulegen. Da sie zur Finanzierung ihrer Arbeit zumeist auf ausländische Hilfe angewiesen sind, sollen sie nunmehr auch, unter Androhung von Geldstrafen, bei allen offiziellen Anlässen und Aktivitäten ihre Finanzierungsquellen benennen, sofern sie mehr als 50 Prozent ihres Budgets von ausländischen Regierungseinrichtungen erhalten. Damit soll ihre Arbeit als „von außen gesteuert“ diskreditiert werden. Von diesem Gesetz betroffen sind Organisationen, die von der Bundesregierung oder der EU Unterstützung erhalten, aber auch Partnerorganisationen der deutschen Stiftungen, der Kirchen und des zivilen Friedensdienstes.

Besatzungskritische Organisationen sind außerdem in einem bisher nicht gekannten Maß Hetzkampagnen und Angriffen von jüdisch-nationalistischen Organisationen, radikalen Einzelpersonen und rechtsgerichteten Politikern ausgesetzt, wie dies z.B. am vergangenen Wochenende von Vertreter/innen israelischer und palästinensischer Menschenrechtsorganisationen auf einer Kooperationstagung von pax christi mit der Evangelischen Akademie Bad Boll berichtet wurde. Die siedlernahe Organisation Im Tirzu schürt beispielsweise Hass, indem sie in einem Video die Geschäftsführenden von Menschenrechtsorganisationen als „Verräter“ und „ausländische Maulwürfe“ beschimpft und persönlich für die Messerattacken durch palästinensische Jugendliche mitverantwortlich macht. Für die Beschuldigten ist dieser Vorwurf lebensgefährlich. Yehuda Shaul von Breaking the Silence, eine israelische Organisation von ehemaligen Soldaten, die über Menschenrechtsvergehen unter Besatzung berichten, äußerte sich beispielsweise gegenüber Medico International: „Wir haben unzählige Hass-Mails bekommen. Auf breiter Front werden wir angegangen. Schlimmer sind aber die eingeschleusten Spitzel, die Rechtsgerichtete, auch Siedler, in Menschenrechtsorganisationen untergebracht haben. Manche kommen ursprünglich aus dem Sicherheitsapparat. Manche Operationen wurden sogar mit öffentlichen Geldern bezahlt. Auch wir wurden infiltriert.“

pax christi Deutschland setzt sich als Teil der ökumenischen Friedensbewegung gemeinsam mit israelischen und palästinensischen Partnern für einen gerechten Frieden in Nahost ein. Uns verbindet die Überzeugung, dass ein gerechter Frieden die konsequente Achtung von Menschenrechten und des geltenden Völkerrechts verlangt.


World Wide Web aixpaix.de

Der Nahost-Konflikt

Im Rahmen seine Reihe "Monitoring-Projekt Zivile Konfliktbearbeitung - Gewalt- und Kriegsprävention legte Prof. Dr. Andreas Buro 2007 sein Dossier vor. Lesen Sie hier die aktualisierte Fassung von 2010.

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