Otmar Steinbicker
Ein gefährlicher Weg in einen neuen Krieg
27.11.2015

Otmar Steinbicker, Foto: Beate Knappe
Die Bundesregierung hat beschlossen, in einen neuen Krieg zu ziehen. Der Bundestag wurde aufgefordert, dem Kriegseinsatz zuzustimmen.
Das Szenario erinnert an den Beginn des Krieges in Afghanistan. Eine verbündete Regierung ruft nach schrecklichen Attentaten im eigenen Land zum Krieg gegen ein anderes Land, aus dem keiner der Attentäter stammt. Die Bundesregierung verkündet ihre Solidarität und zieht mit, nicht wissend, was die Folgen ihres Tuns sein werden.
Die Attentäter von Paris stammten aus der Banlieue, den Vororten von Paris und aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Die sozialen Probleme dort ähneln sich und sich seit langem bekannt. Vor zehn Jahren brannten in Paris und der Banlieue zahlreiche Autos, angezündet von verwahrlosten Jugendlichen. Inzwischen hat sich diese Szene offenbar weiter radikalisiert. Das ist ein Riesenproblem für die französische und belgische Gesellschaft. In Deutschland kennen wir solche Probleme zumindest in Ansätzen. Wer in Paris, Brüssel oder bei uns Terrorismus bekämpfen will, muss sich diesen Problemen stellen, auch wenn das unbequem ist.
Frankreichs Präsident Hollande, der vor Regionalwahlen Anfang Dezember ohnehin mit enormen Imageproblemen zu kämpfen hat, drückte sich vor der Benennung dieser gravierenden innenpolitischen Probleme und sprach von einem „Krieg“, der Frankreich von außen aufgezwungen sei und dass das Land jetzt zusammenstehen müsse. Auch die Tatsache, dass Frankreich längst vor den Attentaten Krieg in Syrien führte, ließ er unerwähnt.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die jetzt über einen Kriegseintritt Deutschlands zu entscheiden haben, sollten sich die historische Erfahrung vergegenwärtigen: Man weiß, wie man einen Krieg beginnt, man weiß aber noch nicht, wie man aus diesem Krieg wieder herauskommt!
Als am 16.11.2001 der Bundestag den Kriegseinsatz in Afghanistan beschloss, hatten die Abgeordneten und auch die Militärs, die diesen Krieg als Generäle führen sollten, sehr andere Vorstellungen davon, wie dieser Krieg verlaufen und wie und wann er enden würde. Beendet ist der Krieg in Afghanistan noch immer nicht. Jetzt sollen wieder mehr Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan geschickt werden ohne jegliche Perspektive.
Darüber sollten jetzt alle Abgeordneten nachdenken, die aufgefordert werden, einem Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien zuzustimmen.
Militärisch hat Deutschland nichts Substanzielles in diesen Krieg einzubringen. Die angekündigten Einsätze von Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einer(!) Fregatte haben eher Symbolcharakter. Gleichzeitig schwächt die Bundesregierung mit dem Kriegseintritt unnötig ihre Möglichkeiten, diplomatisch zu einer Konfliktlösung beizutragen, weil sie Konfliktpartei geworden ist.
Niemand kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhersagen, wie der Krieg in Syrien verlaufen wird, ob er ähnlich ablaufen wird wie der in Afghanistan oder sehr viel anders. Ob womöglich im Zuge einer Eskalation der Bundeswehreinsatz in Syrien massiv ausgeweitet wird wie seinerzeit in Afghanistan, bleibt derzeit eine offene Frage.
Es gibt allerdings schon jetzt einen gemeinsamen Ansatz mit dem Beginn des Afghanistankrieges: Es gab damals auf Seiten der Bundesregierung und der Krieg führenden Allianz keinen Plan für eine Friedenslösung für Afghanistan! Heute gibt es keinen Plan für eine Friedenslösung für Syrien!
Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier