Otmar Steinbicker
Geht es beim Marineeinsatz im Mittelmeer um den Schutz des Abtransportes syrischer Chemiewaffen?
09.04.2014

Otmar Steinbicker, Foto: Beate Knappe
Die Bundesregierung möchte den Abtransport syrischer Chemiewaffen schützen, damit eine Abrüstung von Massenvernichtungswaffen realisiert wird. Das klingt gut und auf den ersten Blick unterstützenswert!
In der Tat ist der beschlossene Abtransport syrischer Chemiewaffen massiv gefährdet – an Land in Syrien und unter Beschuss der Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg mit allerlei Kombattanten, die nicht nur aus Syrien kommen.
Will die Bundesregierung dorthin Bundeswehrsoldaten schicken, um den Abtransport der Chemiewaffen zu schützen? Nein! Die Bundesregierung sieht ebenso wie die Regierungen in Washington, Moskau und anderswo, dass ein solcher Einsatz enorme Eskalationsrisiken mit sich brächte, einschließlich der Gefahr dauerhaft in den Strudel des syrischen Krieges hineingerissen zu werden. Da bleibt man lieber außen vor, besteht darauf, dass die Assad-Regierung ihre Zusagen der Ablieferung aller Chemiewaffen einhält und ihre Armee einsetzt, um die Chemiewaffen im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Feuer
zu holen. Die Bundesregierung war und ist bereit, sich an der Vernichtung dieser Massenvernichtungswaffen zu beteiligen und die gefährlichen Substanzen in einer speziellen Verbrennungsanlage in Munster zu entsorgen. Das ist gut so!
Jetzt aber wird vorgeschlagen, zusätzlich die Bundeswehr-Fregatte Augsburg
zum Schutz des Seetransportes ins Mittelmeer zu entsenden. Das muss Fragen aufwerfen, schließlich gibt bereits seit einigen Monaten diese Seetransporte. Irgendwelche Zwischenfälle oder Gefährdungen wurden zu keinem Zeitpunkt gemeldet. Kriegsschiffe der USA und Russlands sicherten gemeinsam die Transporte.
Was hat sich an der beschriebenen Situation geändert, dass jetzt ein deutsches Kriegsschiff zu Hilfe gerufen wird? Eine Veränderung der Gefährdungslage? Nein!
In der Begründung des Antrags der Bundesregierung heißt es explizit: Vor dem Hintergrund der Krim-Krise wurden die Planungen für die ursprünglich angestrebte Absicherung der Hydrolyse durch eine gemeinsame Operation im Rahmen des NATO-Russland-Rates am 3. März 2014 suspendiert.
Aha! Es geht also im Kern gar nicht um die Problematik der syrischen Chemiewaffen, sondern es geht im Kern um den Konflikt der NATO mit Russland. Gut, dass das so deutlich gesagt wird!
Es war einer der ganz großen internationalen diplomatischen Erfolge der letzten Jahre, dass zum 1. September vergangenen Jahres durch das Zusammenwirken der USA und Russlands ein internationaler Konflikt um Syrien abgewendet, die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen vereinbart und ernsthafte Verhandlungen zur Lösung des Konflikts um das iranische Atomprogramm aufgenommen werden konnten.
Sollen jetzt diese Erfolge der internationalen Diplomatie gefährdet werden, indem unter Mitwirken der Bundesmarine die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den USA und Russlands unter Beschuss genommen wird?
Wer jetzt dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Einsatz der Fregatte Augsburg
zustimmen will, sollte zumindest die Wahrheit über den Sinn dieser Aktion sagen und nicht an Legenden über einen Schutz des Abtransportes syrischer Chemiewaffen stricken!
Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier