Kani Kalonji

Regierung fürchtet verstorbenen Oppositionsführer Tshisekedi

08.09.2017

Was sich derzeit auf der politischen Bühne in der D.R. Kongo abspielt, dürfte zumindest im Hinblick auf das Weltgeschehen der letzten 100 Jahre vergebens nach seinesgleichen suchen.

Als eine niederträchtige und durchaus skandalöse Vorstellung in den Augen der nationalen sowie internationalen Öffentlichkeit, empfindet es der durchschnittliche Kongolese. Als eIn berechtigtes und legitimes Manöver, wird es der eine oder andere Polit-Stratege bewerten.

Der historische Oppositionsführer in der D.R. Kongo, Étienne Tshisekedi, ist am 1. Februar dieses Jahres in Belgien im Alter von 84 Jahren abgeschieden, doch beigesetzt worden ist er immer noch nicht, denn die kongolesische Regierung blockiert die Rückführung der sterblichen Überreste des in seiner Heimat sehr populären Vaters der kongolesischen Demokratie.

Es heisst, dass Revolutionäre nach ihrem Tod grösser werden als sie es zu Lebzeiten waren. Manche behaupten sogar, sie würden gerade durch ihren Tod unsterblich...

Geneigt, dem zuzustimmen, ist man, wenn dieser Gedanke durch das Herz (und nicht durch den Verstand oder die Augen) eines geichheitsliebenden Menschen betrachtet wird.

Ist dies der Fall, so liegt es nahe, an den Spruch zu erinnern, laut dem „hinter jedem grossen Mann, eine Frau steht“. Étienne Tshisekedi war eher Reformator als Revolutionär, und die Weisheit dieses Sprichworts trifft auch auf ihn zu. Ende Juli 2017 hat sich seine Witwe Marthe Tshisekedi zu Wort gemeldet. Bei ihrem Gastinterview im internationalen französischsprachigen öffentlichen Fernsehsender TV5, mit Sitz in Paris (Frankreich), hat Marthe Tshisekedi einen Appell an die Präsidenten und Präsidentengattinnen der Welt gerichtet, damit ihr verstorbener Ehemann beerdigt werden kann.

Hinsichtlich unseres traditionellen Brauches als Bantu-Volk, habe ich sowas noch nie erlebt... Es ist nötig, dass mein Schmerz und meine Tränen an den Augen verstanden werden “, hat Frau Tshisekedi teils mit Emotion ringend erklärt, insgesamt jedoch mit bemerkenswerter Beherrschung für eine Person, die bisher eigentlich nie in den Medien das Wort ergriffen hat. („Bantu“ ist der Oberbegriff für die grosse Mehrheit verschiedener Ethnien Mittel- und Südafrikas).

Politischer Streit

Étienne Tshisekedi verstarb kurz vor Abschluss von Verhandlungen zwischen der kongolesischen Regierung und dem Rassemblement (Oppositionsbund), die auf Grundlage des Abkommens vom 31.12.2016 das Land aus der politischen Krise führen sollten, in die es geraten ist durch das Nicht-Abhalten der verfassungsmässigen Wahlen Ende 2016.

Nach seinem Tod Anfang Februar 2017 schlug die belgische Regierung sogar vor, ein Flugzeug zur Verfügung zu stellen, um seinen Leichnam rückzuführen. Im selben Monat boten die Behörden von Kinshasa (Hauptstadt der D.R. Kongo) an, den charismatischen Anführer im Friedhof von Gombe (dem Regierungs- und Geschäftsviertel in der Hauptstadt) zu bestatten. Doch diese Wahl erzielte keine Einstimmigkeit im Kreise der Anhänger Tshisekedis, die ihn am Sitz seiner Partei im Stadtteil Limete beerdigt sehen mochten.

Nach zähem Ringen wurde schliesslich die Einigung erzielt, Étienne Tshisekedi auf einem Landgut seiner Familie zu begraben. Doch danach weigerte sich die kongolesische Regierung, ihre Unterschrift unter die Einigung zu setzen.

In einem exklusiven Interview Mitte Juli 2017 im Fernseh- und Radiosender der US-Regierung „Voice of America“ in Washington, D. C. hat der Generalsekretär der UDPS (Tshisekedis Partei), Jean-Marc Kabund, betont, die Machthaber in Kinshasa hätten Angst vor der Massenmobilisierung, die die Ankunft des Leichnams und das Begräbnis Étienne Tshisekedis verursachen könnten.

Es ist an dieser Stelle angebracht, daran zu erinnern, welch seltene und gewaltige Bilder die Rückkehr des Oppositionsführers Tshisekedi im Juli 2016, nach zweijähriger krankheitsbedingter Abwesenheit in der Hauptstadt dieses riesigen Landes lieferte: Hunderttausende Menschen füllten die Strassen der Hauptstadt vom internationalen Flughafen bis zu seinem Wohnsitz im Stadtteil Limete, und darüber hinaus.

Ende August 2017 hat nun Félix Tshisekedi (Sohn Étienne Tshisekedis), der Vorsitzender des Rassemblement (Oppositionsbund) und stellv. Generalsekretär der UDPS ist, mitgeteilt, dass die kongolesische Regierung durch den Druck inzwischen die Einigung betreffend der Rückführung der sterblichen Hülle seines Vaters unterzeichnet hat, dennoch sich seitdem nicht mehr gemeldet hat.

Verfahren im Trauerfall

Auf die Frage des Nachrichtensprechers zum Schluss des Interviews auf TV5 Ende Juli 2017, ob sie sich an einem bestimmten Präsidenten oder einer bestimmten Präsidentengattin insbesondere wenden möchte, angesichts der Tatsache, dass Belgien und Frankreich Länder sind, die besonders enge Bindungen zu ihrem Land (der D.R. Kongo) haben; antwortete die Witwe Étienne Tshisekedis: sie richte sich an alle Präsidentengattinnen der Welt, vor allem an alle Präsidentengattinnen Afrikas, damit diese ihre Bekümmernis und ihren Schmerz hören und teilen.

Die Wahl dieser Formulierung liesse sich vielleicht durch die kulturellen Unterschiede zwischen der west-europäischen und der Luba’schen Vorgehensweise im Trauerfall erklären.

Die Luba sind eine zur Gruppe der Bantu gehörende Ethnie aus dem Zentrum der D.R. Kongo, zu der Étienne Tshisekedi und seine Ehefrau Marthe zählen. Nach den traditionellen Bräuchen der Luba (und der vieler anderer Ethnien Afrikas) muss die Gattin, wenn ihr Mann gestorben ist, insbesondere in dem Zeitraum bis zu seiner Beisetzung, ihre Trauer bekundend äusserst enthaltsam leben:

Sie darf z. B. nicht gemütlich auf einem Bett schlafen, sondern muss täglich auf dem harten Boden übernachten. Ihr äusseres Erscheinungsbild (Bekleidung, usw.) muss stets drastisch dem Umstand entsprechen, die Frisur darf nicht wie gewohnt gepflegt werden, Schminke ist Tabu usw.

Allerdings, kulturelle Unterschiede hin oder her, der Tod eines nahestehenden Menschen ist eine bedrückende Erfahrung, die (auch) Präsidentenfamilien diesseits und jenseits des Mittelmeers teilen.

Es ist zu würdigen, dass Frau Marthe Tshisekedi den Mut gefunden und die Initiative ergriffen hat, an die Menschen in den Führern dieser Welt und ihrer Ehefrauen zu appellieren.

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