Gershon Baskin

Diesen Weg müssen wir einschlagen!

27. Februar 2013

Gershon Baskin. Foto: Otmar Steinbicker

Der Präsident der Palästinensischen Behörde Mahmoud Abbas hat die Sache nicht in Gang gebracht, um die Aufmerksamkeit des amerikanischen Präsidenten zu erregen.

In dieser Woche haben uns viele Experten im Fernsehen erklärt, die Welle palästinensischer Gewalt sei von der Palästinensischen Behörde geplant worden. Sie sagten uns, die Palästinenser wollten zur Vorbereitung des Besuchs von Präsident Obama Feuer legen. Sehr viele sagten eine dritte Intifada voraus und stritten sich darüber, ob sie schon angefangen habe und wie intensiv sie werden würde.

Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Also sprach ich mit Menschen auf der anderen Seite, um zu hören, was sie zu sagen hätten. Ich traf mich auch mit einigen palästinensischen Führern. Ich las palästinensische Zeitungen und prüfte die palästinensischen Sozialen Medien [Interaktionsmedien]. Ich kam mit dem starken Eindruck zurück, dass die Gewaltanwendung nicht vorsätzlich geplant worden sei. Die andere Seite hat auch jetzt nicht den brennenden Wunsch nach einer neuen Intifada.

Die Menschen wollen das, was in den letzten Jahren gebaut worden ist, nicht zerstören. Der Präsident der Palästinensischen Behörde Mahmoud Abbas hat die Sache nicht in Gang gebracht, um die Aufmerksamkeit des amerikanischen Präsidenten zu erregen.

Von Führern und Leuten auf der Straße habe ich gehört, dass sie nicht den Wunsch hegen, Präsident Obama ins Detail-Management des Konflikts hineinzuziehen. Er soll sich nicht einschalten, wie das frühere US-Präsidenten getan haben. Die Bestrebungen der Palästinenser hinsichtlich eines Engagements Obamas sind weit strategischer und wichtiger, als dass sie ihn dazu bringen möchten, die Flammen einer neuen Runde von Straßengewalt zu löschen.

Gehört und gesehen habe ich eine Menge Frustration. Einer der palästinensischen Führer erzählte mir Folgendes: Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe Abbas dazu aufgerufen, die Situation zu beruhigen. Danach habe Abbas in einem Treffen mit den Führern der Gewerkschaften der Angestellten der PA diese gefragt, was er tun solle, wie er reagieren solle. Mein Gesprächspartner sagte, sie hätten zu ihm gesagt: Herr Präsident, nur sie können die Flammen löschen! Sie haben die Machtbefugnis, die palästinensische Polizei einzusetzen und die Leute werden auf Sie hören. Aber, sagten sie, was wird sich ändern? Werden wir unsere Gehälter bekommen? Wird Israel unser Geld freigeben, das es festhält? Werden die Gefangenen befreit? Werden die Verhaftungen durch die israelischen Behörden aufhören? Werden die Israelis jemals aufhören, in unserem Land Siedlungen zu bauen? Werden wir jemals Freiheit und Unabhängigkeit erleben? Wird es jemals Frieden geben? Die dort Anwesenden sagten ihrem Führer: Wir werden in ein paar Wochen oder in einigen Monaten, nachdem sich nichts geändert hat, in derselben Situation sein.

Ein anderer palästinensischer Führer sagte mir: Mit unserem Friedenswunsch ist es uns ernst. Mahmoud Abbas ist der letzte palästinensische Führer, der Frieden anbieten kann. Wenn er gegangen ist - und mit ihm die Chancen für Frieden -, werden die Menschen hier der anderen Seite eine Chance geben, sich zu beweisen.

Der anderen Seite?, fragte ich. Ja. Die Palästinenser haben die Wahl zwischen der Art von Abbas und der PLO einerseits und der der Muslim-Bruderschaft andererseits. Die Muslim-Bruderschaft will euch zerstören, sie wird euch nie akzeptieren, sie wird niemals Frieden mit euch schließen. Er sagte, sie seien alle gleich – ob sie Hamas, Hisbollah oder Salafisten hießen. Wenn es uns nicht gelingt, unserem Volk Frieden und Freiheit im eigenen Staat zu liefern, werden nicht mehr wir hier sein, sondern ihr habt es dann mit ihnen zu tun.

Ich fragte ihn: Ist ihnen nicht klar, dass alles, was sie in den letzten Jahren aufgebaut haben, zerstört werden wird? Leiden, Tod und Zerstörung der Palästinenser wird wieder enorm sein. Er antwortete: Ja, das wissen sie. Sie wollen es nicht, aber wenn ihr ihnen die Hoffnung nehmt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als euch Schmerz zuzufügen. Sie werden euch verletzen wollen. Sie werden wollen, dass auch ihr eure Lieben begrabt. Wenn ihr uns nicht unsere Freiheit geben wollt, wird unser Volk für seine Ehre und Würde kämpfen. Die könnt ihr nicht für Geld kaufen. Er sagte: Ihr Juden seid genauso wie wir – ihr würdet genau dasselbe tun. Wenn euch die Freiheit verweigert würde, wenn ihr nicht euren eigenen Staat haben könntet, würdet ihr kämpfen und sterben und aus Rache töten, damit auch die andere Seite leiden muss.

Das war ein sehr trauriges Gespräch. Mir war völlig klar, dass der, der mit mir sprach, ein Mann des Friedens war. Er hatte seine persönliche Lebensreise gemacht: Er war ein Kämpfer gewesen, der geschworen hatte, niemals mit Israel Frieden zu machen, und war dann zu einem führenden Friedensbefürworter in der PA geworden, aber eines fairen Friedens, eines gerechten und umfassenden Friedens, eines Friedens, der nur durch Verhandlungen zu erreichen ist.

ER KENNT Abbas sehr gut. Sie sind politisch verbündet und enge Freunde. Ich versuchte ihn herauszufordern, indem ich etwas von dem wiedergab, was ich von Israelis, von meinen Lesern der Jerusalem Post, erfahren hatte. Ich sagte: Aber die meisten Israelis glauben, dass Abbas kein Interesse daran habe, den Konflikt zu beenden, dass er nie dazu bereit sein werde zu erklären, dass der Konflikt vorüber sei. Daraufhin erzählte er mir, Abbas habe wiederholt gesagt (und auch ich habe ihn das sagen hören), er sei gegen eine Interims-Vereinbarung. Abbas will eine Vereinbarung, die endgültig Frieden bringt, also den Konflikt so beendet, dass keine Ansprüche und Forderungen mehr unerfüllt bleiben.

Aber, sagte ich, er ist nicht bereit zuzugeben, dass Jerusalem Israels Hauptstadt ist.

Er erwiderte: Jerusalem wird eure Hauptstadt sein, die Orte, an denen Israelis in Jerusalem leben, gehören euch, die Orte, an denen Palästinenser leben, gehören uns. Beide werden wir Jerusalem als Hauptstadt haben.

Ich fragte ihn nach den Flüchtlingen und dem Recht auf Rückkehr. Er sagte, es gebe Lösungen, die beide Seiten akzeptieren könnten - Olmert und Abbas seien einer solchen Lösung sehr nahe gewesen.

Während der Fortsetzung unseres Gesprächs sprachen wir über fast alle wichtigen Themen.

Er betonte, dass alle Themen auf den Verhandlungstisch gelegt werden müssten. Wir müssen über alle Themen reden, sagte er. Wir können bei jedem einzelnen Thema Punkte finden, auf die wir uns einigen können.

Ich fragte ihn, wie es mit der Anerkennung Israels als jüdischem Nationalstaat stehe. An dieser Stelle gerieten wir in eine lange Debatte. Er sagte: Wir erkennen Israel an, warum sollten wir es näher definieren? Ihr könnt euch nennen, wie ihr wollt, weshalb sollte ich euch ebenso nennen? Ich sagte: Wenn wir erst einmal alle anderen Probleme gelöst haben, können wir uns zusammensetzten und dann werden Israelis die Anerkennung Israels als jüdischen Nationalstaates fordern.

Das werde schwierig. Er erklärte, warum es schwierig für sie sei. Aber wir fanden eine Lösung: Gemeinsam kamen wir zu dem folgenden Vorschlag: Nachdem wir eine vollkommene und umfassende Friedensvereinbarung unterzeichnet haben werden, werden wir sie gemeinsam den Vereinten Nationen vorlegen. Diese werden unsere Vereinbarung auf die Grundlage des internationalen Rechtes stellen. In der UN-Resolution, die dann unsere Vereinbarung stützt, wird eine Formel wie die folgende stehen: Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes und aller seiner übrigen Bürger. Abschließend sagte mein Gesprächspartner: Wir sind einer Meinung darüber, dass alle unsere Freunde und Verbündeten in den Vereinten Nationen diese Formel befürworten werden.

Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler

Gershon Baskin ist Autor des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier


World Wide Web aixpaix.de

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