Gershon Baskin
Eine Ein-Staat-Realität ist nicht durchführbar
25. Dezember 2012
Millionen Menschen, die keine Juden sind und die weder zu unserem Staat gehören noch zu unserem Staat gehören wollen, leben auf demselben Stück Land wie wir.
Das Land Israel gehört dem jüdischen Volk – das ganze Land vom Jordan bis zum Mittelmeer. Das jüdische Volk hat Rechte auf dieses Land, und zwar nicht nur innerhalb der Demarkationslinie. Ganz Judäa und Samaria gehören uns. Dort steht die Wiege unserer Kultur, dort ist das Land der Propheten der Thora: im Herzen der Gebirge und Täler von Judäa und Samaria. Das Wunder von 1967: In sechs Tagen kämpfte Israel angesichts der Vernichtung mit Verstand und Muskelkraft, mit Technik und Entschlossenheit und dehnte die Grenzen aus, indem es die Waffenstillstandslinie von 1949 auslöschte und unserem jungen Staat neues Leben schenkte.
Nachdem wir vom Haschemitischen Königreich angegriffen worden waren, haben wir Gebiete erobert, die illegal, also gegen das Völkerrecht von Jordanien annektiert worden waren. Wenn König Hussein nicht seinen Truppen befohlen hätte, auf uns zu schießen, hätte Israel seinen Kampf auf Ägypten im Süden und Syrien im Norden konzentriert. Dann wären Ostjerusalem und die Westbank (illegal) unter Jordaniens Herrschaft verblieben. Ägypten behielt den schmalen Gazastreifen lieber unter der Kontrolle seines Militärs, als ihn zu annektieren, und es regte die Palästinenser dazu an, von dem von ihm beherrschten Gebiet aus Israel zu überfallen.
Besetzung? Welche Besetzung? Wir sind in unsere alte Heimat zurückgekehrt, in unsere historische Hauptstadt, die 3000 Jahre lang das Zentrum des Judentums gewesen ist. Es gab niemals einen palästinensischen Staat. Jerusalem war nie eine palästinensische Hauptstadt. Vor 1967 war die Westbank unter keinerlei legaler Hoheitsgewalt.
Wie hätte das Gebiet also von uns, dem jüdischen Volk, dem Staat Israel, besetzt worden sein können? Dieses Argument bekam ich vor einigen Tagen zu hören, als ich vor einer Gruppe im Norden einen Vortrag hielt. Ja, ich kann auch behaupten, das Land Israel gehöre uns, wir hätten Rechte auf das gesamte Gebiet. Ja, Jerusalem ist das Zentrum des Judentums und wir haben Tausende von Jahren Jerusalem im Gebet ersehnt. Ja, es ist wahr, dass es keine legale Hoheitsgewalt in der Westbank gab (ebenso wenig wie es sie heute gibt).
Alles das ändert die Tatsache nicht, dass Millionen Menschen, die keine Juden sind und die weder zu unserem Staat gehören noch zu unserem Staat gehören wollen, auf demselben Stück Land wie wir leben.
Was können wir also tun? Sie vertreiben? Sie zusammentreiben und töten? Ihnen ihre menschlichen Grundrechte und ihre politischen Rechte vorenthalten? Ganz im Ernst: Ihr, die ihr das alles wollt, was schlagt ihr vor? Da gibt es die mit den verlogenen „Lösungen“, wie z. B. „Jordanien ist Palästina“ – die Araber in Judäa und Samaria können bleiben, wo sie sind, aber sie finden ihren nationalen Ausdruck nur in Jordanien. Oder die Palästinensische Behörde gibt ihnen ihre demokratischen Rechte, jedoch unter israelischer Oberhoheit. Oder: Es gibt kein palästinensisches Volk, es hat nie eines gegeben und wird nie eines geben. Oder wenn wir immer weiter bauen und bauen, werden sie vielleicht endlich verstehen, worum es geht, und einfach verschwinden.
ICH VERSUCHE IMMER NOCH, jemanden zu finden, der behauptet, dass wir unsere Rechte über das gesamte Land ausüben müssen, und der gleichzeitig eine wirklichkeitsnahe, praktische Antwort auf die Frage hat: Was soll mit „den anderen“ Menschen geschehen, die dort leben? Keiner von ihnen hat eine Lösung, die den Konflikt beenden und uns ermöglichen wird, in Frieden zu leben.
Das Beste, das sie vorbringen können, sind Vorschläge, den Konflikt zu „managen“, aber während sie damit beschäftigt sind, setzen sie ihre Bautätigkeiten fort, verstärken die Spannung, schwächen diejenigen auf der anderen Seite, die Frieden wollen, und stärken alle Extremisten, die uns in die Gewalt zurücktreiben werden.
Ich möchte wissen, wer den Familien der nächsten Runde von Opfern dieses Konflikts ins Gesicht blicken wird! Werden uns unsere Führer sagen, dass weitere Hunderte von Wohneinheiten auf einem Berg das Leben von zehn unschuldigen israelischen Bürgern wert seien? Wie viele Israelis werden mit dem Leben bezahlen müssen, weil wir Anspruch auf die Ausübung unserer Rechte erheben? Wenn sie uns keine Lösung anzubieten haben, dann bescheren sie uns damit eine weitere Runde der Gewalt!
Warum stellen die rechtsgerichteten Wähler ihren Führern diese Fragen nicht? Es gibt zwar keine ideale Lösung, aber es gibt jedenfalls eine Lösung. Die Palästinenser werden einem eigenen Staat auf 22 Prozent des Landes zwischen Jordan und Meer zustimmen. Sie werden zustimmen, dass ihr Staat nicht militarisiert wird. Sie werden Sicherheitsvereinbarungen zustimmen, die Israel ermöglichen werden, sich zu verteidigen, ohne dass sie den Palästinensern ihr Recht auf Oberhoheit entziehen. Es wird möglich sein, das ganze jüdische Jerusalem unter israelischer Oberherrschaft zu behalten, während das arabische Jerusalem unter palästinensischer Oberhoheit stehen und Jesusalem eine offene Stadt bleiben wird.
Es gibt eine Lösung für das Flüchtlingsproblem, die Israel nicht in einen binationalen Staat verwandeln wird. Stattdessen würden die meisten palästinensischen Flüchtlinge in den Staat Palästina heimkehren. Es wird für Juden, die auf palästinensischem Staatsgebiet leben wollen, die Möglichkeit geben, das auch zu tun.
Alle diese Probleme können auf den Verhandlungstisch gelegt und Lösungen dafür gefunden werden. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Palästinenser am Ende des Prozesses Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes anerkennen, jedenfalls dann, wenn wir den palästinensischen arabischen Bürgern unseres Staates volle Gleichberechtigung zuerkennen.
Selbst wenn wir glauben, es gehöre alles uns, so können wir doch nun einmal nicht alles haben! Die Möglichkeit, dass das palästinensische Volk eines Tages einfach verschwinden wird, ist nun einmal nicht vorhanden! Weder werden sich die Palästinenser unserer Herrschaft über sie unterwerfen noch werden wir sie überzeugen, das aufzugeben, was sie für ihr Grundrecht halten. Es ist unmöglich, dass wir der demokratische Nationalstaat des jüdischen Volkes bleiben und gleichzeitig das Recht der Palästinenser auf Freiraum und Freiheit unterdrücken. Es ist unmöglich, dass wir als Juden uns so verhalten, und es ist ebenso unmöglich, dass die Welt uns das noch lange wird durchgehen lassen.
Zwar sagen viele, wir seien ans Ende der Durchführbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung gekommen, ich aber sage euch, wir sind ans Ende der Durchführbarkeit einer Ein-Staat-Realität gekommen.
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler
Gershon Baskin ist Autor des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier