Ärzteorganisation IPPNW

Politik der nuklearen Abschreckung ist eine Provokation

20. Jahrestag des Rechtsgutachtens zu Atomwaffen – 200 Städte protestieren mit Flaggen

08.07.2016 – Zeitgleich zum heutigen Beginn des NATO-Gipfels in Warschau jährt sich das Rechtsgutachten zu Atomwaffen des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zum 20. Mal.

Am 8. Juli 1996 verkündete der IGH, dass die Androhung des Einsatzes und der Einsatz von Atomwaffen grundsätzlich gegen das Völkerrecht verstoßen. Die ärztliche Friedensorganisation warnt anlässlich des Jahrestages vor einem Rückfall in die nukleare Eskalationspolitik des "Kalten Krieges" und ruft erneut zu einem weltweiten Verbot aller Atomwaffen auf. Die Bundesregierung solle die völkerrechtswidrige Stationierung von Atomwaffen in Deutschland beenden und sich für einen Prozess für ein Atomwaffenverbot einsetzen, so die Ärzteorganisation.

In 200 Städten Deutschlands werden die BürgermeisterInnen heute Flaggen der „Mayors for Peace“ vor ihren Rathäusern hissen, um für die Abschaffung von Atomwaffen zu werben. Sie berufen sich auf eine von der IPPNW beauftragten Forsa-Umfrage, wonach sich 93 % der BundesbürgerInnen für ein völkerrechtliches Verbot der Atomwaffen aussprechen. Weitere 85 % der befragten Erwachsenen befürworteten zudem einen Abzug der auf deutschem Boden gelagerten US-Atomwaffen.

Der stellv. SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hat das Motto des NATO-Gipfels in einem Tagesspiegel-Gastbeitrag als „Abschrecken ohne zu provozieren“ beschrieben. „Abschreckung ohne Provokation ist aber nicht möglich,“ sagt Angelika Claußen, IPPNW-Vizepräsident für Europa und ehemalige deutsche Vorsitzende der IPPNW. „Glaubwürdige nukleare Abschreckung beinhaltet immer auch die Illusion von Sicherheit durch Provokation als Teil der Eskalationspolitik. Der Feind muss glauben, dass man bereit ist, die Atomwaffen einzusetzen und wenn notwendig, mit dem Einsatz zu drohen. Aber die humanitären Auswirkungen der Atomwaffen sind so immens, dass sie nicht kontrollierbar sind. Wie wollen NATO-Generäle uns vor diesen humanitären Folgen schützen, wenn die Abschreckung nicht funktioniert?“, so Claußen.

Das damalige IGH-Rechtsgutachten stellte fest, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht: „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zur nuklearer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen.“ Ein solcher Vertrag ist aber noch nicht in Sicht. Deshalb hält die Ärzteorganisation ein Verbot der Produktion, der Lagerung und des Einsatzes von Atomwaffen für überfällig. IPPNW-ÄrztInnen in aller Welt setzen sich für die „humanitäre Initiative der Staaten zur Ächtung und Abschaffung der Atomwaffen“ ein und begrüßen die Selbstverpflichtung von 127 Staaten, eine Ächtung der Atomwaffen zu erzielen (Humanitarian Pledge).

Ausgelöst durch den Ukraine-Konflikt sind die Grenzen in Osteuropa zu Russland zur Bruchlinie Europas geworden. Die NATO und Russland setzen nach wie vor auf Atomwaffen als Mittel zur Abschreckung. Diese nukleare Abschreckung soll nun verstärkt werden, indem sie sichtbar wird. Dies geschieht durch Rhetorik, aber auch durch Militärübungen unter Beteiligung nuklearer Streitkräfte. Dies birgt die Gefahr, dass ein Atomwaffeneinsatz täglich Realität werden könnte. Jede Atombombe, die auch nur versehentlich von Russland aus in Ost- und Mitteleuropa oder von NATO-Staaten, die über ihre nukleare Teilhabe am US-Atomwaffeneinsatz beteiligt sind (Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande, Türkei ) in Russland detoniert, hätte verheerende Folgen für Mensch und Umwelt.

Die IPPNW fordert die Bundesregierung daher auf, sich für Deeskalationsschritte im NATO-Russland-Konflikt stark zu machen und sich im Rahmen der Verhandlungen zu Atomwaffen im August in Genf (OEWG) für einen Verbotsvertrag von Atomwaffen einzusetzen statt diesen wie bisher zu blockieren

Mehr zum Rechtsgutachten des IGH


World Wide Web aixpaix.de